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Wie ernst ist es der Regierung überhaupt mit der Inflationsbekämpfung? Das einzige, was sie gegenwärtig offeriert, ist eine verschärfte Preiskontrolle, also etwas, über dessen Nutzlosigkeit sich auch die zuständigen Minister in camera caritatis zweifellos im klaren sind. Typisch für den neuen Gesetzentwurf Stari-bachers ist es ja, daß er diverse prekäre Preiskompetenzen an die Landeshauptleute abschieben möchte; sollen sich die damit blamieren.

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Wie ernst ist es der Regierung überhaupt mit der Inflationsbekämpfung? Das einzige, was sie gegenwärtig offeriert, ist eine verschärfte Preiskontrolle, also etwas, über dessen Nutzlosigkeit sich auch die zuständigen Minister in camera caritatis zweifellos im klaren sind. Typisch für den neuen Gesetzentwurf Stari-bachers ist es ja, daß er diverse prekäre Preiskompetenzen an die Landeshauptleute abschieben möchte; sollen sich die damit blamieren.

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Ein internationaler Vergleich macht die Ineffektivität der Preiskontrollen evident: Es ist bezeichnend, daß der einzige Staat Europas, der bisher konsequent auf alle Preiskontrollen verzichtete — nämlich die Bundesrepublik Deutschland —, heute im allgemeinen Inflationsparcours nach wie vor ziemlich an letzter Stelle liegt, während die Spitzengruppe durchwegs von Nationen besetzt wird, welche in der einen oder anderen Manier Preiskontrollen betreiben.

Das aber ist die einzige Ramedur, die die Regierung gegen die Inflation zu bieten hat. Schlimmer noch; jeder, der für umfassendere und effektive Stabilisierungsmaßnahmen eintritt, wird sozialistischerseits attackiert: Noch ehe die Volkspartei mit ihren Vorschlägen zur Inflationsbekämpfung an die Öffentlichkeit getreten ist, verstieg sich der Wiener SP-Vor-sitzende Probst zur völlig aus der Luft gegriffenen Behauptung, die ÖVP wolle die Vollbeschäftigung abbauen und damit wieder Arbeitslosigkeit schaffen; sie wolle das „alte reaktionäre Mittel der Arbeitslosigkeit“ einsetzen, um „die Kraft der Arbeiterbewegung zu brechen“.

Die Haltlosigkeit dieser Anschuldigung dekuvrierte wenige Tage später die Feststellung des Präsidenten der Nationalbank, Kloss, die Entwicklung der in- und ausländischen Nachfrage sowie speziell des Arbeitsmarktes zeige, daß die Vollbeschäftigung nicht gefährdet sei, weshalb der Währungsstabilität unbedingter Vorrang eingeräumt werden müsse. Dieses an sich sachliche und nüchterne Statement brachte aber Kloss sofort ins Schußfeld der Linken.

So etwa schrieb die „Kronen-Zeitung“ postwendend, Kloss sei auf die Linie Schleinzers eingeschwenkt. In diesem Fall müßte der sozialistische Generaldirektor der Nationalbank, Kienzl, der hier mit seinem Präsidenten offensichtlich konform geht, gleichfalls auf die ÖVP-Linie eingeschwenkt sein. Damit wäre jeder, der für echte Stabilisierungsmaßnahmen eintritt, von vornherein ein ÖVP-Mann und ein Feind des Sozialismus. Ob der österreichische Wähler diese Einstellung auf die Dauer goutieren wird?

Was hier von Probst und Konsorten versucht wird, ist nichts anderes als der Einsatz des alten reaktionären Mittels der Diffamierung, wobei man vor den absurdesten Behauptungen nicht zurückschreckt. Was soll das konstante Drohen mit der Arbeitslosigkeit in einem Staat mit notorischem Arbeitskräftemangel, der schon 250.000 Ausländer beschäftigt und dem die Zahl seiner Gastarbeiter allmählich über den Kopf wächst? Die Herren, die so argumentieren, sind bewußtseinsmäßig offenbar in den dreißiger Jahren steckengeblieben.

Man wäre versucht, derartiges als lächerlich abzutun, wäre die falsche Wirtschaftspolitik, die aus einer solchen Mentalität resultiert, nicht so verdammt gefährlich. Gerade dieses permanente Anheizen des ohnehin schon glühenden Wirtschaftskessels muß eines Tages zur Explosion führen, die dann tatsächlich Arbeitslosigkeit zur Folge hat — aber nicht, weil Stabilitätspolitik betrieben wurde, sondern weil sie unterblieben ist.

Solche Behauptungen, wie sie Probst vorbringt, werden noch lächerlicher, wenn man damit das Vor-schlagspaket der ÖVP vergleicht, dem man höchstens den Vorwurf machen kann, daß es zuwenig Neues bringt und kritischen Materien allzusehr ausweicht. Von Maßnahmen, die zur Arbeitslosigkeit führen könnten, kann keine Rede sein.

Der einzig neue Vorschlag — und auch er ist prinzipiell nichts Neues — ist die vorzeitige Inkraftsetzung der nächsten Zollsenkungsetappe gegenüber der EWG. Nun, derartiges kann nicht schaden, aber nützen wird es auch nicht viel.

Das Entscheidende ist — und das müßte viel nachdrücklicher vorgetragen werden —, daß der Finanzminister nicht nur von Stabilität reden, sondern endlich auch einen konkreten Beitrag dazu leisten soll. Statt dessen will er demnächst die Telephon- und Stempelgebühren in einem Ausmaß hinaufsetzen, wie es sich niemals ein privater Unternehmer bei seinen Preisen erlauben dürfte. Auch andere öffentliche Tarife werden abermals folgen und die Inflation weiter anheizen. Die Forderung der ÖVP nach Verzicht auf alle Erhöhungen öffentlicher Gebühren ist daher vollkommen berechtigt.

Nichts dagegen hört man von Einsparungen im Budget. Zwar hat Androsch sein „Stabilisierungsbudget“ 1974 dreigeteil't — in Grundbudget, Stabilisierungsquote und Konjunkturbelebungsbudget — und versprochen, das letztere Paket nur in äußerstem Notfall einzusetzen,aber auch die Aktivierung der Stabi-lisierungsquo'te zu unterlassen, falls die Inflation weiter zunehme. Dies ist in erschreckendem Maß geschehen,und das Institut für Wirtschaftsforschung war gezwungen, seine ohnehin schon sehr großzügige Inflationsschätzung für dieses Jahr noch nach oben zu revidieren. Von einer Still-legung der Stabilisierungsquote verlautet aber kein Wort.

Dem Vernehmen nach sollen einzelne Ressorts bereits ganz munter ihren Happen an der StabiMsiarungs-quote verplanen. Es wäre höchste Zeit, daß der Finanzminister dezi-diert erklärt, diese werde nicht zur Anwendung kommen. Wenn dies nicht im Frühjahr geschieht, ist es zu spät, wie wir alle aus den trüben Erfahrungen mit der bloßen Bindung (statt Streichung) von Ermessenskre-diten aus früheren Jahren wissen.

Ebenso wäre — wann nötig, durch gesetzliche Maßnahmen — die Ausgabefreudigkeit der Länder und Kommunen zu bremsen, und mit den Vorarbeiten für das Budget 1975 wäre zügig zu beginnen, wobei hier ganz harte Spardirektiven zu setzen wären. Dringende parlamentarische Anfragen der Opposition zu diesen Fragenkomplexen sind überfällig.

Für ihre Preisregelungsintentionen braucht die Regierung eine Zweidrittelmehrheit und damit wieder die Stimmen der Opposition. Es wäre erfreulich, wenn diese ihre Stimmen nicht wieder verschenkt, ohne von der Regierung als Gegenleistung konkrete Anti-Inflationsmaßnahmen auf budgetärem und sonstigem Gebiet einzuhandlen.

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