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Informationen aus dem Kairoer Hauptquartier der Arabischen Liga, der zwanzig Mitgliedstaaten der Arabischen Liga angehören, besagen, daß die Regionalorganisation bei der im September beginnenden neuen US-Session die Wahl des luxemburgischen Ministerpräsidenten und Außenministers Gaston Thorn zum Präsidenten der Vollversammlung unterstützen werden. Von Thorn verspricht man sich am Nil Vorteile für die arabische Haltung in dem zu den Hauptthemen der Sitzungsperiode gehörenden Nahostkonflikt. Die Araberstaaten wollen unter anderem den UN-Ausschluß Israels fordern und haben für den Fall eines amerikanischen Rückzuges aus der Weltorganisation sogar den Ersatz des Washingtoner UN-Beiträges aus den Erdöleinnahmen in Aussicht gestellt. Die Ligamitglieder unterstützen gleichfalls den österreichischen Plan, das UN-Hauptquartier bis 1982 von New York nach Wien zu verlegen. Der gegenwärtige österreichischeUN-Generalsekretär Kurt Waldheim hat nach der gleichen Quelle jedoch keine Chance, bei der im kommenden Jahr fälligen Neuwahl die Stimmen der arabischen Staaten auf sich zu vereinigen.

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Informationen aus dem Kairoer Hauptquartier der Arabischen Liga, der zwanzig Mitgliedstaaten der Arabischen Liga angehören, besagen, daß die Regionalorganisation bei der im September beginnenden neuen US-Session die Wahl des luxemburgischen Ministerpräsidenten und Außenministers Gaston Thorn zum Präsidenten der Vollversammlung unterstützen werden. Von Thorn verspricht man sich am Nil Vorteile für die arabische Haltung in dem zu den Hauptthemen der Sitzungsperiode gehörenden Nahostkonflikt. Die Araberstaaten wollen unter anderem den UN-Ausschluß Israels fordern und haben für den Fall eines amerikanischen Rückzuges aus der Weltorganisation sogar den Ersatz des Washingtoner UN-Beiträges aus den Erdöleinnahmen in Aussicht gestellt. Die Ligamitglieder unterstützen gleichfalls den österreichischen Plan, das UN-Hauptquartier bis 1982 von New York nach Wien zu verlegen. Der gegenwärtige österreichischeUN-Generalsekretär Kurt Waldheim hat nach der gleichen Quelle jedoch keine Chance, bei der im kommenden Jahr fälligen Neuwahl die Stimmen der arabischen Staaten auf sich zu vereinigen.

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In Kairo macht man trotz der betont proarabischen Haltung Waldheims während seiner bisherigen Amtszeit kein Hehl aus der Abneigung gegen den Österreicher. Waldheim sei zwar der. Reiselustigste, aber auch der bislang farbloseste und ineffizienteste ' Generalsekretär der Weltorganisation gewesen., Man brauche keinen Spitzenbeamten“, der seine Stellung zu kostspieligen Weltreisen ohne jeglichen politischen Effekt ausnütze, sondern eine Persönlichkeit, die das komplizierte Räderwerk der übernationalen Bürokratie am New Yorker East River auf Touren halte und die hohe Politik Berufeneren überlasse.

Die Araber hätten trotz ihrer auch von anderen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, darunter auch von Israel, geteilten Kritik an Waldheim noch einmal für den früheren österreichischen Außenminister gestimmt, hätte nicht der wegen seiner verfassungsmäßig verbotenen Wiederwahl bald „arbeitslos“ werdende gegenwärtige mexikanische Staatschef Luis Echeverria seine Kandidatur für den höchsten UN-Verwaltungsposten angemeldet. Ein Vertreter der Dritten Welt auf diesem Posten ist den Araberstaaten immer noch lieber als selbst der araberfreundlichste Europäer. Diese mehr gefühlsbetonte Entscheidung zeigt, wie wenig sich die Anbiederungen westlicher Politiker bei den Staaten der Dritten Welt und insbesondere bei den immer selbstbewußter auftretenden Arabern auszahlen.

Mit großem Bedauern reagiert man in den arabischen Hauptstädten allerdings auf den Verzicht des frü-

heren westdeutschen Bundeskanzlers Willy Brandt auf die Kandidatur für das Amt des UN-Generalsekretärs. Ihm wären als einzigem westlichen Kandidaten die Stimmen aller Ligamitglieder, vieler Staaten Schwarzafrikas und Asiens, die des Ostblocks, der EG-Neun und Israels sicher gewesen. In Kairo geht man sogar soweit, den Verzicht Brandts als weiteren Beitrag zur Entwertung der Weltorganisation zu bezeichnen. Jetzt müsse man damit rechnen, daß sich die Fronten zwischen „Weißen“ und „Färbigen“ in den UN noch weiter verhärten. Nur Brandt hätte man die Integrationskraft zugetraut, diesen Polarizierungsprozeß aufzuhalten und die Funktionsfähigkeit der Weltorganisation zu bewahren.

Mittlerweile wird von Kairo aus lanciert, daß Ägypten am 23. Juli, dem dreizehnten Jahrestag des nasseristischen Staatsstreiches, den ursprünglich auf fünfzehn Jahre befristeten Freundschafts- und Beistandspakt mit der Sowjetunion aufkündigen wolle. Als Begründung für diesen spektakulären Bruch nennt man die ausbleibenden Waffen- und Ersatzteillieferungen aus Moskau. Ostblockdiplomaten im Vorderen Orient nennen allerdings zwei andere Gründe: Präsident Mohammed Anwar es-Sadat wiederhole lediglich das Spiel, das ihm sein Vorgänger Gamal Abdel Nasser, in den sechziger Jahren mit dem Westen vorgemacht habe, gegenüber dem Osten. Er wolle sich auf diese Weise der drückenden RückZahlungsverpflichtungen für die sowjetischen Kredite entledigen. Außerdem hoffe er, mit einem solchen aufsehenerregenden Kurswechsel die amerikanische öffentliche Meinung noch mehr gegen Israel und zugunsten der Araber zu beein-'f lussen. ■ •' , i

Zwischen- Kairo und Washington spielen gegenwärtig viele geheime Drähte. Ein ägyptischer Diplomat bekräftigte dem Korrespondenten dieser Zeitung gegenüber noch einmal das Kairoer Desinteresse an einer baldigen Wiedereinberufung der Genfer Friedenskonferenz. „Es ist noch zu früh“, erklärte er, „eine umfassende und dauerhafte Friedensregelung im Nahostkonflikt ins Auge zu fassen.“ In Genf würden sich die vielfältigen und gegensätzlichen Interessen der USA und der Sowjetunion, der Israelis und der Palästinenser zudem hemmend auf die ägyptische Politik auswirken, fügte er hinzu. Sein Land setze daher weiterhin ausschließlich auf die amerikanische Vermittlung. „Unser bestes Pferd im Stall ist Henry Kissinger, als Jude wird er, wie er es auch bisher getan hat, jeden Anschein der Zionistenfreundlichkeit vermeiden.“

Auch über die Beweggründe des durch USA-Präsident Gerald Ford auf Israel ausgeübten Druckes ist man sich auf arabischer Seite durchaus klar. Nach dem Fiasko in Südostasien werde die amerikanische Öffentlichkeit keine Politik gutheißen, die im Nahen Osten dazu führen könne, daß Amerika direkt in einen fünften arabisch-israelischen Krieg verwickelt werde. Ford brauche, um seine Wiederwahl sicherzustellen, dringend diplomatische Erfolge. Und da biete sich der Vordere Orient als Exerzierfeld geradezu an. Israel sei so vollständig von amerikanischer Hilfe abhängig, daß man es zu jedem Zugeständnis zwingen könne.

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