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Alte Pläne auf neuen Tischen

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Stadtplanungen sind ehrgeizige Konzepte, die sichf über Jahrzehnte erstrecken und Stück für Stück aus Skizzen und Entwürfen in architektonische Wirklichkeit treten. In schöner Regelmäßigkeit legt auch die Stadt Wien seit gut 25 Jahren Stadtentwicklungspläne auf, die zum Erstaunen der Bewohner die große Perspektive veranschaulichen.

Mit Ehrgeiz wurden Siedlungen in den letzten Jahrzehnten errichtet, die nur böse Zungen kritisieren: Per Albin Hansson-Siedlung, die Bebauung des Laaerberges, der Hugo Breitner-Hof bis zur Großfeldsiedlung sind Monumente des Wiederaufbaus und der angewandten Sozialpolitik. Freilich besitzen sie einen Schönheitsfehler!

Alle großen Planungen waren schon zwischen 1939 und 1941 abgeschlossen und unterschieden sich von den späteren Projekten nur in der Benennung: Holzweber-Siedlung, Wohnstadt Nord, Wohnstadt Süd und Stadtkrone Laaerberg nannte man sie vor 1945. Zum Teil blieben auch die ausführenden Architekten erhalten, hatten sie doch schon Erfahrung.

Nun kann man von Zufällen sprechen, daß das, was 1941 Hans Dunstmann plante, später auch wirklich gebaut wurde: Großbauvorhaben benötigen Platz, der natürlich in Städten rar ist. Anders sieht die Sache hingegen aus, wenn man auf alten Plänen sieht, daß Dunstmann 1941 einen Regierungssitz für Südost-Europa geplant hatte, der ausgerechnet dort hätte sein sollen, wo jetzt die UNO-City steht. Zwar hat die Gemeinde das Konzept der Schleifung des zweiten und zwanzigsten Bezirkes nicht als Vorlage genutzt, doch die Achsenkonzepte zur Stadtgestaltung wurden übernommen. Diesen verdanken wir den Karlsplatz, der schon in derNS-Zeit zum Dokument für Stadtbildzerstörung wurde.

Mit der Errichtung der U 3 als Verbindung von Erdberg zum Westbahnhof durfte man hoffen, daß erstmals ein eigenständiger Plan entwik-kelt wurde. Die Bundesbahn ließ aber wissen, daß sie den Westbahnhof nicht mehr liebt. Ein Zentralbahnhof an der Stelle des Südbahnhofes soll die Wiener Kopf bahnhöfe zusammenfassen. Wo wird man das Konzept hiefür gefunden haben? Ja richtig, in den Entwürfen von 1939/40. Da bisher die Entwürfe nach 1945 konsequent ausgeführt wurden, dürfen die ÖBB mit ihrem Kopf bahnhof rechnen.

Vergleicht man nun die frühere Stadtplanung mit den Verwirklichungen, stellt sich die Frage, weshalb Ämter und Magistratsabteilungen bezahlt werden, die großteils nichts anderes getan haben, als alte Pläne auf neue Tische zu legen? Oder haben sich die Stadtplaner das Diktum Hitlers so sehr zu Herzen genommen, daß sie es um jeden Preis in die Tat umsetzen wollen: „Wien ist eine Perle, und ich werde ihr die Fassung geben.“?

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