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„Altlasten” in der Bankenwelt

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Das Geschehen an den nationalen und internationalen Finanzmärkten hat in den achtziger Jahren eine ungeheure Intensivierung erlebt. Nicht nur das Volumen der abgewickelten Geschäfte hat stark zugenommen - es wurden auch laufend neue Instrumente und Formen von Finanztransaktionen entwickelt. Dennoch kriselt es heute im internationalen Finanzgeschäft. Nicht wenige befürchten den großen Crash.

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Das Geschehen an den nationalen und internationalen Finanzmärkten hat in den achtziger Jahren eine ungeheure Intensivierung erlebt. Nicht nur das Volumen der abgewickelten Geschäfte hat stark zugenommen - es wurden auch laufend neue Instrumente und Formen von Finanztransaktionen entwickelt. Dennoch kriselt es heute im internationalen Finanzgeschäft. Nicht wenige befürchten den großen Crash.

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An „Altlasten” hängen den Finanzmärkten einige grundsätzliche und langfristig wirksame Probleme am Bein: So etwa, daß seit dem Zusammenbruch des sogenannten Bretton-Woods-Systems der fixen Wechselkurse Anfang der siebziger Jahre Instabilität und Unsicherheit im Finanzbereich ganz allgemein zu- und die internationale Koordinierung der diesbezüglichen Vorgangsweisen trotz aller Bemühungen abgenommen haben. Die Neigung zu heftigen Schwankungen von Zinssätzen und Wechselkursen ist seither stark angestiegen. Die Weltwirtschaft selbst, das heißt die konjunkturellen Entwicklungen der einzelnen Länder, wurden immer mehr von einander abhängig. So wurde es durch die zunehmende Liberalisierung des Güter- und Kapitalverkehrs leichter, Störungen in den eigenen wirtschaftlichen Abläufen in andere Länder zu exportieren, und für die nationalen Finanzsysteme wurde es immer schwerer, solchen Störungen entgegenzuwirken. Vor allem die grenzüberschreitenden Kapitalbewegungen wachsen rasch, wesentlich rascher jedenfalls als die Warenbewegungen. Heute beruhen nur noch fünf Prozent der Finanzströme auf dem Güterverkehr, 95 Prozent sind reine Finanztransaktionen, groß-teils kurzfristiger Art, die oft sehr rasch und in riesigen Volumina Veranlagungsart und -ort wechseln und Instabilität verursachen können.

Dabei sind die Ungleichgewichte zwischen den großen Wirtschaftsblöcken allein aus dem Handel mit Waren und Dienstleistungen groß genug. Die Bundesrepublik und Japan erzielen hohe Überschüsse, die USA und der Block der nicht-ölexportierenden Entwicklungsländer ebensolche Defizite. Die Ölländer selbst akkumulierten in den achtziger Jahren nach den beiden Ölschocks zunächst Hunderte Milliarden Dollar an Überschüssen, glitten dann aber wieder ins Minus. Der internationale Bankenapparat leistete in dieser Zeit zweifellos Großes, was den Ausgleich zwischen Defizit- und Überschußländern betraf. Allerdings nicht ohne Fehler, die unter anderem in Form der Schuldenkrise bis heute nicht bewältigt sind.

Mit alldem einher ging in den letzten Jahren ein Strukturwandel auf den nationalen und internationalen Geld-und Kapitalmärkten, dessen Tempo und Ausmaß für Banken, Investoren und auch für die monetären Aufsichtsbehörden Herausforderungen extremer Art darstellten. Die in diesem Zusammenhang oft genannten Schlagwörter sind Deregulierung, Internatio-nalisierung, Globalisierung und Computerisierung.

Infolge der zunehmenden Reduzierung nationaler Beschränkungen für Kapitalbewegungen (Deregulierung) gewinnen die internationalen Finanzmärkte immer mehr an Bedeutung, es entsteht ein globales Finanzsystem. Die Fortschritte der Informationstechnologie machen dabei ein blitzschnelles Reagieren auf geänderte Bedingungen oder sich plötzlich bietende Anlagechancen rund um den Erdball und rund um die Uhr möglich. So haben beispielsweise die Käufe und Verkäufe ausländischer Wertpapiere in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre gegenüber der Periode 1980 bis 1984 auf das Sechsfache zugenommen. Ähnlich auch die Entwicklung bei den grenz-

überschreitendenDirektinvestitio-nen, welche die zunehmende Inter-nationalisierung der Multis widerspiegelt, die sich immer mehr von ihren Heimfinanzmärkten lösen.

Unangenehm für die nationalen Aufsichtsbehörden (Notenbanken) ist das unter anderem auch deshalb, weil die involvierten Volumina, die tagtäglich um den Erdball kreisen und irgendwie unter Kontrolle bleiben sollten, bereits Dollarmilliarden in dreistelliger Höhe umfassen. Das zieht häufig das Phänomen des „Überschießens” nach sich. Das heißt, daß auf kleinste Änderungen in irgendwelchen währungspolitischen Rahmenbedingungen Überreaktionen etwa bei Wechselkursen und Zinssätzen auf den freien Märkten ausgelöst werden, eben weil sofort und oft in spekulativer Absicht Riesenbeträge in Bewegung geraten; es entstehen sogenannte „spekulative Blasen”. Wechselkurse sind so nicht mehr das Ergebnis von Handelsbeziehungen und relativer Stärke zwischen den Volkswirtschaften, sondern das Resultat von Kapitalmarkttransaktionen, womöglich spekulativer Art. Auch diese Erscheinung ist eine der Ursachen für die erhöhte Instabilität des internationalen Finanzsystems.

Teilweise als Reaktion auf die gestiegenen Unsicherheiten und Risiken wird nun auf internationaler Ebene (ausgehend von der Bank für Internationalen Zahlungsverkehr) versucht, den Banken eine höhere Unterlegung ihrer Geschäftstätigkeit mit Eigenkapital abzuverlangen, was die Banken ihrerseits vor das Problem stellt, solches aufzutreiben.

Andere Entwicklungen, mit denen sich die Banken konfrontiert sehen, sind Securitisation, Marke-tisation, Disintermediation und ein mögliches „Overbanking”.

Unter „Securitisation” wird verstanden, daß immer mehr Bankgeschäfte in verbriefter Form (das heißt als Wertpapiere) abgewickelt werden. Das Bankgeschäft vollzieht sich nicht mehr in der traditionellen Form des Aufsammelns kleiner Spareinlagen und Ausleihung dieser Gelder in Form von Krediten, sondern die Anleger haben heute eine Vielzahl anderer Möglichkeiten, ihr Geld unterzubringen, nämlich Aktien, Anleihen, Investmentzertifikate, Genußscheine und viele andere Arten von Wertpapieren und wertpapierähnlichen Stücken zu kaufen. Dazu braucht der Anleger die Banken aber häufig nicht mehr oder die Banken fungieifen bloß noch als reine Verkaufsstellen für derartige Finanzinstrumente.

Für diese bilden sich nun häufig eigene Märkte, die der Banken gleichfalls nicht mehr bedürfen. Käufer und Verkäufer können solche Papiere auch ohne Zwischenschaltung von Banken handeln. Urform ist natürlich die Börse, an der Aktien auf einem eigenen abgegrenzten Markt gehandelt werden, aber diese „Marketisation” greift auch auf andere Papiere über.

Das führt wiederum zur „Disintermediation” . Die klassische Funktion der Finanzintermediation bestand in der oben erwähnten Aufsaugung kleiner Sparguthaben zwecks Ausleihung an Kreditnehmer unterschiedlichster Art. Diese Funktion wird nun nicht nur durch obige Tendenzen ausgehöhlt, sondern auch dadurch, daß andere „Intermediäre” den Banken zunehmend in dieses Handwerk pfuschen und die Spargroschen abfangen, bevor sie zur Bank gelangen. Stark auf diesem Gebiet sind die Lebensversicherungen, diverse Vermögensberater und in manchen Ländern auch die Pensionsfönds. Das alles hat zur Frage geführt, ob nicht manche Länder, darunter auch Österreich, imZugedieser Entwicklungen in Gefahr geraten könnten, „overbanked” zu werden, das heißt mit einem zu großen Bankensektor gesegnet. Manche sehen in diesem auch bereits „die Stahlindustrie der neunziger Jahre ”.alsoeinen potentiell strukturschwachen, überdimensionierten Sektor.

Dieser tiefgreifende Wandel in den gesamten Rahmenbedingungen, aber auch in den Strukturen und Tendenzen selbst, setzen das internationale Finanzsystem unter erheblichen Anpassungsdruck.

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