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Altlasten sind teure Zeitbomben

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Viel Sorglosigkeit herrschte lange Zeit im Umgang mit den Abfallen. Jetzt gilt es, die tickenden Zeitbomben in Österreichs Landschaft zu erkennen und rasch zu sanieren.

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Viel Sorglosigkeit herrschte lange Zeit im Umgang mit den Abfallen. Jetzt gilt es, die tickenden Zeitbomben in Österreichs Landschaft zu erkennen und rasch zu sanieren.

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Müllprobleme bewegen heute die Gemüter. Gesetze und Verordnungen regeln, was mit der riesigen Menge an Abfällen zu geschehen hat. Die längste Zeit hat man sich aber über den Mist kaum den Kopf zerbrochen. Sicher, in den großen Städten gab es die Müllabfuhr. Aber überall sonst landete, was man nicht mehr brauchte, in alten Lehm- und Schottergruben. Auch Industrie und Gewerbe waren im Umgang mit ihren Abfällen nicht zimperlich. Oft diente das eigene Grundstück als Müllkippe. Erst 1977 erließ das Landwirtschaftsministerium „Richtlinien für geordnete Mülldeponien...".

Nun, diese Sorglosigkeit hat sich gerächt und vor allem in Grundwasserverseuchung niedergeschlagen. Um diese in Grenzen zu halten und notwendige Sanierungsmaßnahmen einleiten zu können, werden heute die Standorte solcher Altlasten erhoben. Die gesetzliche Grundlage dafür bietet das 1989 in Kraft getretene Altlastensanierungsgesetz. Es regelt die Finanzierung der Sicherung und Sanierung von Altlasten.

Als ersten Schritt hat das Umweltbundesamt einen Verdachtsflächen-kataster erstellt. In ihm werden Altablagerungen und die alten Industriestandorte erfaßt: Bisher rund 18.000 Verdachtsflächen, 14.000 davon in Wien.

Über rund 17.000 besteht so gut wie keine Information. Mittels eines Erhebungsbogens versucht daher das Umweltbundesamt jetzt, mehr über diese Verdachtsflächen zu erfahren. Bei den übrigen 1.000 Flächen ist der Informationsstand schon ausreichend, um die Dringlichkeit einer Intervention abschätzen zu können. Die Kritierien für diese Beurteilung sind: Gefährlichkeit der Stoffe, Nähe von Siedlungen, Konstellation des Bodens, Nähe des Grundwassers...

Im Gesetz ist weiters die Anlage eines Altlastenatlasses vorgesehen, ein Verzeichnis jener Flächen, die eine erhebliche Gefahr für die Umwelt darstellen. Im Moment sind das 87 Flächen (siehe die Altlastenkarte auf dieser Seite und auf Seite 17). Sie sind nach Dringlichkeit in drei Kategorien eingeteilt. Jährlich kommen 20 Fälle im Atlas dazu. In den meisten Fällen gibt es jemanden, der an der Sanierung dieser Gefährdung interessiert ist. Er hat die Möglichkeit,

um Förderung einzukommen. Das Gesetz sah vor, daß die Altlastensanierung innerhalb von zehn Jahren mit rund fünf Milliarden zu subventionieren sein würde. Weitere fünf Milliarden wollte der Bund im Bedarfsfalle bereitstellen.

„Alle diese Beträge sind tief gegriffen," meint Dietmar Müller vom Ümweltbundesamt. Man müsse das durchschnittliche Projekt mit 50 Millionen veranschlagen. Aber es gibt auch „Ausreißer' wie die Fischer-Deponie bei Wiener Neustadt oder das Zentraltanklager der ÖMV. „Bei der Fischer-Deponie ist derzeit von 1,5 Milliarden die Bede."

Derzeit gibt es rund 50 Förderangsansuchen. Bei 30 von diesen sind auch schon Maßnahmen angelaufen. Damit ist aber nicht alles erfaßt, was in Sachen Altlastensanierung geschieht. Nicht für alles wird um öffentliche Förderung angesucht. Manche Unternehmen wollen nicht als „Umweltsünder" am Pranger stehen.

Was kann nun zur Sanierung der Altlasten geschehen? Meist werden Schlitzwände rund um die Gefahrenstelle angelegt: Man baggert einen Schlitz in den Boden, setzt eine Mauer ein und geht dabei so tief, bis man auf einen geologisch dichten Untergrund stößt. Innerhalb des umschlossenen Bereichs pumpt man Wasser ab, um zu verhindern, daß kontaminiertes Wasser austritt.

Die Alternative dazu ist das Umlagern der gefährlichen Stoffe. Das hat den Vorteil, daß man das Material und damit die Gefährdung wirklich kennenlernt. Besonders gefährliche Teilmengen kann man einer Sonderbehandlung zuführen. Der Rest wandert in eine Deponie, die möglichst nach neuestem Standard errichtet worden ist. Dieses Verfahren ist übrigens rund zehnmal so teuer wie das Umschließen.

Diese Sanierungen stellen einen

nicht unbeachtlichen Markt dar: Die derzeit beantragten Projekte belaufen sich auf insgesamt mehr als eine Milliarde Schilling.

Welche Beträge da im einzelnen im Spiel sein können, illustriert Müller an einem Wiener Projekt: eine Ziegelgrabe, auf der eine Kleingartensiedlung errichtet worden war und bei der man Ausgasungen festgestellt hat. Allein die Vorstudie kostete rund zehn Millionen Schilling, das darauffolgende Sicherungsprojekt 130 Millionen.

Oder in Niederösterreich: Da müssen derzeit auf rund 25 Hektar 1,5 bis zwei Millionen Kubikmeter Abfälle umschlossen werden. Das wird etwa 300 Millionen kosten.

Aber all das ist erst das Anfangs-Stadium. Mit Überraschungen im größeren Stil muß gerechnet werden. Mit Ausnahme von Wien wurden ja die Altstandorte noch nicht wirklich systematisch erhoben. Was die Bewertung anbelangt, wird sich bei den Verdachtsflächen noch einiges tun. So gab es etwa eine Deponie in der Steiermark: Elektrofilterstäu-be von Zementwerken auf einem Höhenrücken abgelagert. Vor zwei Jahren gab es starke Regenfälle. Der aus der Deponie entspringende Bach schwoll enorm an, trat über die Ufer und verseuchte den Brunnen einer Wassergemeinschaft. Erst durch dieses Ereignis wurde die Gefährdung bekannt. Und ähnliche tickende Zeitbomben lagern wohl noch einige in unserem Land.

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