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Am Beispiel „Prisma“

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Ich hoffe, der österreichischen Ärzteschaft ist die „Prisma“-Sendung vom 13. März nicht entgangen. Vielerorts als „Beitrag zur Fristenlösung in der Praxis“ angekündigt, stellte sie ein Schulbeispiel der Manipulation der öffentlichen Meinung dar. Denn was hier als Fristenlösung vermarktet wurde, war ein Fall eugenischer Indikation nach der Dreimonatsfrist, nach j ener Frist also, in der eine Frau keinen Grund anzugeben braucht, um ihr ungeborenes Kind töten zu lassen. Solange sie einen Arzt findet, der sich - nachdem er sie selbst beraten hat — dazu bereit erklärt, den Abbruch vorzunehmen.

Allerdings gibt es in Österreich sehr viele Ärzte, die trotz bedeutender Gewinnmöglichkeiten nicht bereit sind, Abtreibungen durchzuführen. Diesen Ärzten den Kampf anzusagen, war der eigentliche Inhalt jener „Prisma“- Sendung. Alles andere war Garnierung, Manipulation, war opportunistisches Ausschlachten der menschlich schwierigen Situation einer Frau, die sicherlich kein leichtes Schicksal hat.

Wie gesagt, es lag diesem Fall offensichtlich eine eugenische Indikation zugrunde, die im neuen Strafgesetz wie folgt behandelt wird: „Die Tat ist nicht strafbar… wenn ernste Gefahr besteht, daß das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde und der Abbruch von einem Arzt vorgenommen wird.“

Zwei Absätze weiter heißt es dann: „Kein Arzt ist verpflichtet, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder an ihm mitzuwirken, es sei denn, daß der Abbruch notwendig ist, um die Schwangere aus einer unmittelbar drohenden, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr zu retten.“ Was also als Versicherung für die Ärzte gedacht war, die Überlegung, daß es jedem überlassen bleiben muß, nach seinem eigenen Gewissen zu handeln, wird nunmehr zur Zielscheibe eines Angriffes gemacht. Wie hieß es doch in der „Prisma“-Sen- dung? „Kein Arzt kann im Sinn des Gesetzes gezwungen werden, einen Schwangerschaftsabbruch im Sinne der Fristenlösung vorzunehmen. Aber eine Frau kann offenkundig gezwungen werden, eine Schwangerschaft auszutragen. Es sei denn, sie macht sich auf den Weg zu den wenigen Kliniken im Lande, die die Fristenlösung durchführen. Ist dies Gewissensfreiheit im Sinne des Gesetzes oder sollte nicht, wie etwa in Dänemark, ein anderer Weg beschritten werden? Dort hat die Gesundheitsbehörde jeder Regie-

Christen rung dafür zu sorgen, daß mindestens in einem Krankenhaus die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch besteht.“

Sage also niemand, man sei nicht gewarnt worden. Glaube niemand, diejenigen, die die Fristenlösung durchgesetzt haben, würden sich mit ihr zufriedengeben. Die Kampfparole lautet: Recht auf willkürliche Abtreibung, auf Krankenkassenkosten, ohne Frist.

Während also noch im Parlament über das Volksbegehren zum Schutz des menschlichen Lebens - rein formell, versteht sich - beraten wird und gleichzeitig immer wieder versichert wird, daß am Kern der Fristenlösung nichts geändert werde, wird bereits eine neue Welle der Liberalisierung vorbereitet. Im alten, bewährten Stil. Einmal vorfühlen, dann Rückzieher, dann weiterer Vorstoß und so weiter, bis endlich ein Gesetz das ausdrückt, was schon längst zum „Willen des Volkes“ geworden ist. Oder ist es nicht doch nur der Wille einiger weniger Meinungsmacher, die an den Schaltstellen der Informationsquellen sitzen?

Was sollen die Christen von einer solchen von sozialistischen Kreisen vertretenen Politik halten?

Die „AZ“ vom 12. März verkündete in ihrem Leitartikel: „Die geschichtliche Entwicklung zeigt, daß nur jener Staat, der bekennt, daß das Wort ,Du sollst nicht töten1 auch für ihn gilt, die Achtung vor dem menschlichen Leben besitzt.“

Gut gesagt, Herr Chefredakteur Scheuch, aber wäre es nicht logisch, diese selbstverständliche Barmherzigkeit auch auf ungeborene Menschen auszudehnen?

Sin-o-Watz

Keine Angst, die Kulturrevolution ist am Kinoritenplatz noch nicht ausgebrochen. Auch wenn aufmerksame Leser des „Kulturpolitischen Maßnahmekatalogs“, der zu der Rückschau des Kulturberichts die zukunftsweisende Note beifügen wollte, aus Maos „Rotem Büchlein“ abgeschriebene Formulierungen entdeckten. Unser Kulturminister heißt noch nicht Sin- o-Watz, wenn er sich bemüht, „Verbesserungen des Kulturverhaltens“ zu erreichen. Auch wenn so manchem Kulturschaffenden und Kulturfreund die allzu intensive Verordnung von Kultur ein Greuel ist. Aber immerhin ist es interessant, zu beobachten, wie die jenseits der Großen Mauer kreierte Diktion den langen Marsch durch die Institutionen des Westens vortreibt. Es scheint so manchen zu geben, dem sie imponiert, und nicht nur sie, sondern auch die Ideologie, die hinter ihr steht. Auch in der unmittelbaren Umgebung des Ministers. Die enge Nachbarschaft zu sonst so kapitalistischer Pornographie stört da gar nicht… fg

Rotationsprinzip

In der Wunschkiste vieler Theoretiker gibt es die gar nicht so schlechte Vorstellung, das Sitzfleisch der Inhaber von politischen Mandaten nicht zu ausgeprägt werden zu lassen. Stichwort: Rotationsprinzip. Tatsächlich ist es mehr als zweifelhaft, ob dem demokratischen Konzept von der Identität von Regierenden und Regierten jene Abgeordneten nicht kraß widersprechen, die längst ,ßiserne Hochzeit“ mit ihrem Sessel im Parlament gefeiert haben.

Was nun für den einzelnen Politiker recht ist, das ist für eine ganze Partei besonders billig: Die Rotation zwischen Regierungsverantwortung und parlamentarisch-oppositioneller Kontrolle. Jüngster Beweis dafür ist die anfangs dieser Woche in neuem Gewand eröffnete Politische Akademie der Volkspartei. Hundertfach ist bereits gesagt und geschrieben worden, das Ausscheiden der Volkspartei aus der Regierungsverantwortung sei ein ungeheurer Segen für die Auffrischung der geistigen Fundamente gewesen (was sich zum Teil auch mit der von Torberg in Tante Jolesch beschriebenen, typisch österreichischen Eigenschaft trifft, selbst unangenehmsten Erscheinungen eine positive Seite abzugewinnen). Fest steht aber, daß - ähnlich den Sozialisten Ende der sechziger Jahre - auch die Volkspartei gut beraten ist, nach jahrelanger Macht trunkenheit durch eine oppositionelle Entwöhnungskur ihre Gehirnzellen neu zu beleben. gri

Die „Randbemerkungen eines engagierten Christen“ geben die Meinung des Autors wieder. Sie muß sich nicht in jedem Fall mit der Linie der FURCHE decken.

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