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Am Gängelband von Staat und Parteien

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Also gut: Die VOEST bekommt ein neues Management, einige Milliarden Zuschuß, die Postenbesetzung wird neu geregelt... Das eigentliche Problem wird so nicht gelöst.

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Also gut: Die VOEST bekommt ein neues Management, einige Milliarden Zuschuß, die Postenbesetzung wird neu geregelt... Das eigentliche Problem wird so nicht gelöst.

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Das Grundproblem heißt nämlich: zuviel Einfluß der öffentlichen Hand in fast allen Bereichen. Einen Uberblick über die Allgegenwart des Staates in Österreich bietet das kürzlich erschienene Buch von Johannes Hawlik und Wolfgang Schüssel „Staat laß nach". Bei weitem dominiert natürlich die Machtstellung des Bundes. Das ist schon in unserer Verfassung grundgelegt, die den Bundesländern weit weniger Kompetenzen einräumt, als dies etwa in der Schweiz und der BRD der Fall ist.

Am deutlichsten wird die Ubermacht der Zentralstellen im Bereich der Finanzgebarung. Aus dem gemeinsamen Steuertopf

entnimmt der Bund 70 Prozent der Mittel, 18,5 Prozent entfallen auf die Länder (davon fließen allerdings mehr als 40 Prozent nach Wien) und 11 Prozent auf die Gemeinden. Mit anderen Worten: Die wirtschaftliche Macht der öffentlichen Hand ist sehr stark „wienlastig".

Diese Zentralisierung wird noch weiter verstärkt durch den hohen Organisationsgrad der Österreicher: 60 Prozent der Arbeitnehmer sind Mitglieder einer straff zentralistisch organisierten Einheitsgewerkschaft; fast alle Erwerbstätigen sind in berufsständischen Körperschaften öffentlichen Rechts (Bundeswirt-schafts- oder Arbeiterkammer z. B.) erfaßt, die mächtige bürokratische Interessenvertretungen darstellen; mehr als ein Drittel der Österreicher besitzen (hoffentlich nur) ein Parteibuch, und 80 Prozent können als Stammwähler einer Partei angesehen werden.

All das schafft den Hintergrund für eine im Vergleich zu anderen westlichen Ländern unverhältnismäßig große Machtentfaltung der politischen Parteien. Daher auch das verbreitete Gefühl der Ohnmacht des kleinen Mannes: 76 Prozent der Österreicher meinen, keinen Einfluß auf das Tun der Politiker zu haben (BRD nur 53, Holland 47 und USA 45 Prozent).

Tatsächlich hat hierzulande der Staat überall die Finger drin — besonders im Bereich der Wirtschaft Da ist zunächst das Riesengebilde verstaatlichte Industrie. An ihrer Spitze steht die österreichische Industrieverwaltungs AG (ÖIAG). Sie kontrolliert die zu 100 Prozent verstaatlichten Großunternehmen wie VOEST-Alpine, VEW, Chemie Linz, ÖMV, usw. Sie hält weiters Mehrheitsbeteiligung in rund 100 und Minderheitsbeteiligungen in weiteren 110 Unternehmen (etwa Siemens-Österreich mit 43,6 Prozent). Das entspricht einem Imperium von 101.000 Beschäftigten mit einem Jahresumsatz von 193 Milliarden (1984). In ihm entstehen also 22 Prozent aller österreichischen Güter und Leistungen.

Neben diesen ÖIAG-Beteili-gungen besitzt der Bund noch Anteile an in- und ausländischen sowie internationalen Unternehmen im Wert von 35,6 Milliarden Schilling. Doch damit nicht genug: Uber die verstaatlichten Banken ist der Staatseinfluß im Geld- und Kreditsektor in Österreich internationale Spitze: „Mehr als 80 Prozent des österreichischen Kreditapparates entfallen auf öffentliche Unternehmungen", kennzeichnen Hawlik und Schüssel die Lage. Allein die zwei

Großen, Creditanstalt und Länderbank, beherrschen 60 Prozent des Aktienbankensektors und sind damit zu 50 Prozent an der Industrie-, zu 40 Prozent an der Handels- und zu 65 Prozent an der Außenhandelsfinanzierung beteiligt.

Bei dieser Sonderstellung tut sich der Staat natürlich als Kreditnehmer leicht: 226 Milliarden Schilling stehen Industriekredi-

ten in der Höhe von nur 182 Milliarden (Ende 1984) gegenüber.

Zu diesem unmittelbaren Einfluß im Geld- und Kreditsektor kommt noch der auf die Konzernbetriebe der verstaatlichten Banken ein durchaus beachtlicher Brocken*. Diese Gruppe wird an Größe nur noch von der ÖIAG übertroffen. Zu ihr gehören Unternehmen wie Steyr-Daimler-Puch, Maschinenfabrik Andritz,

Waagner-Birö, Universale, Maschinenfabrik Heid, Semperit, usw. Viele von ihnen sind durch Pleiten in die Schlagzeilen der Presse geraten...

Nicht unerwähnt bleiben sollte aber noch das staatliche Engagement im Export. Für rund 40 Prozent aller Ausfuhren haftet nämlich die Republik Österreich über die Kontrollbank. Bemerkenswert ist allerdings, daß rund 75

Prozent der Garantien für Betriebe im öffentlichen Einflußbereich gegeben werden.

Hawlik und Schüssel kennzeichnen das Karussell der Einflußnahme wie folgt: „Die Politik trifft Führungspersonalentscheidungen; sie stempelt den ,Eck-zinsfuß' für täglich fällige Spareinlagen zum politischen Preis; sie verschafft sich mit einer Flut von Aktionen Einfluß auf Kreditentscheidungen und -konditio-nen; ... sie mischt sich zur vorgeblichen .Sicherung von Arbeitsplätzen' in die Konzernpolitik der Banken..." Ergänzt wird das vielfach durch publikumswirksame Geschäftsabschlüsse im Ausland, die medienwirksam von Kanzlern und Ministern inszeniert werden. Erweisen sich solche Geschäfte nach Jahren als Flop, springt dann die Kontrollbank (also der Steuerzahler) ein.

Mit dieser Aufzählung ist die Liste aber keinesfalls beendet. Die Republik ist nämlich auch noch größter Grundeigentümer: Sie besitzt 784.000 Hektar und gab zwischen 1971 und 1983 rund 1,1

Milliarden für den Grunderwerb aus. Hinzu kommen weitere 57.000 Hektar, die im Eigentum der Länder stehen und 168.000, die den Gemeinden gehören.

International enorm hoch liegt auch der Anteil der öffentlichen Hand am Wohnungseigentum. Hier dominieren allerdings die Gemeinden, denen insgesamt 302.000 Wohnungen (Bund: 30.300) gehören.

Zu all dem kommt noch, daß die öffentliche Hand im Verkehrs-, Nachrichtenübermittlungs- und Energiesektor eine Vorrangstellung besitzt: Mit den österreichischen Bundesbahnen, der Post, den Austrian Airlines besitzt der Bund in manchen Bereichen eine Monopolstellung, während sich bei der Stromerzeugung und -Verteilung Bund und Länder den Einfluß teilen. Jedes Bundesland ist Eigentümer seiner Landesgesellschaft (Newag, Oka,...). Dem Bund hingegen gehören die österreichweit wirkenden Institutionen, etwa die Verbundgesellschaft oder die Donaukraftwerke AG.

Um das Bild abzurunden, seien noch die 5000 Betriebe erwähnt, die im Eigentum der Gemeinden stehen. Die Palette ist breitgefächert: Verkehrsbetriebe (in 105 Gemeinden), Abwasserbeseitigung (in 1318 Kommunen), Sägewerke, Einrichtungen der Energie- und Wasserversorgung (1407 Gemeinden), Bäckereien, Hotels ...

Wer nun glaubt, damit sei die Aufzählung endgültig beendet, irrt. Denn unerwähnt blieben: Salz-, Tabak-, Branntwein- und Glückspielmonopol, die Bundesgestüte, -theater und -apotheken, die Bundesversuchsanstalten usw., ebenso wie die 576.000 Menschen, die im öffentlichen Dienst tätig sind.

All das zusammengenommen ergibt das Bild einer Vorrangstellung des Staates, die ihresgleichen in den westlichen Ländern nicht hat und problematisch erscheint.

Siehe dazu: STAAT LASS NACH. Von Johannes Hawlik und Wolfgang Schüssel. Herold, Wien 1985. 296 Seiten, öS 268,-.

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