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Am Rande der Hoffnung
„Wir haben nichts zu verlieren außer unsere Angst!“ Ist das der Mut der Verzweiflung oder das Gefühl von der eigenen Uberflüssigkeit, so zu reden in einer Gesellschaft, die vielen weder Arbeit noch Sinn gibt? Von den Jugendlichen ist hier die Rede, von denen heute an die 45.000 arbeitslos sind: stolze 25 Prozent, gemessen an der Gesamtzahl der Arbeitslosen.
‘Sie bemühen sich, es zu verheimlichen. Sie verstecken sich vor den Nachbarn, sie fühlen sich einsam und ausgestoßen. Und doch sind sie binnen weniger Jahre zu einer Massenbewegung geworden.
Isolierung, Zersplitterung und das Gefühl der persönlichen Ohnmacht beschreiben zusätzlich diejenigen der jungen Arbeitslosen, die nach dem Schulabschluß schon von einem ruhigen Pensionistendasein träumen. Daß diese Träume nichts anderes sind als eine Flucht aus der widrigen Realität, ist vielen oft gar nicht bewußt.
Eine Generation von jungen Menschen ist herangewachsen, die vielfach aufgehört hat, zu fragen, und die das Schweigen gewählt hat. So kommt eine Studie des Münchner Instituts für Jugendforschung zu dem Ergebnis, daß nahezu die Hälfte der Jugendlichen (43 Prozent) der Aussage zustimmen: „Ich finde, daß es nicht günstig ist, in Schule und Beruf zu sagen, was man denkt, weil man dadurch Nachteile haben kann.“
Treue Söhne und Töchter unserer Konsumgesellschaft, die bereits als Kind das Streben nach Erfolg um jeden Preis und ein rein materielles Denken gelehrt wurden, erfahren ihre Ausweglosigkeit in aller Härte, weil ihre Einflußchancen, die gegenwärtige Situation zu ändern, nicht nur äußerst gering, sondern schier aussichtslos sind. Im Extremfall erweist sich die Wirkung der Arbeitslosigkeit sogar als derart lähmend, daß nicht einmal mehr Zukunftspläne gemacht werden.
Durch die Erkenntnis, für die Gesellschaft eigentlich nur mehr eine Belastung zu sein, scheint es für viele nur noch den Ausweg bei Drogen, Alkohol, übersteigertem Medienkonsum, beim Glückspiel oder gar in der Kriminalität zu geben.
„Wir haben nichts zu verlieren außer unsere Angst!“ Wenn man die Begriffe vertauscht, trifft man noch viel mehr den Kern: „Wir haben vor nichts Angst, außer uns zu verlieren … “
Die Arbeitslosenunterstützung allein bringt diese jungen Menschen nicht viel weiter. Aber nicht alles, was Politiker für diese jungen Menschen tun könnten, kostet Geld. Eines der wertvollsten Dinge, die sie ihnen schenken könnten, ist gratis: die Glaubwürdigkeit. Sie steht bei jungen, skeptischen, politisch distanzierten Leuten hoch im Kurs.
Vielen Politikern ist das offenbar noch nicht zum Bewußtsein gekommen. Solange diese glauben, Probleme durch Ignorieren lösen zu können, solange wird die Enttäuschung weiter anwachsen. Erst wenn Solidarität nicht mehr nur ein polnisches Fremdwort ist, kann es Hoffnung geben.
Die Verfasserin ist Studentin der Politikwissenschaft.
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