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Am Rande eines Bürgerkriegs

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Das Jahr 2537 nach der Zeitrechnung des Schah von Persien wird dem allmächtigen Resa Pahlewi nicht in allzu guter Erinnerung bleiben. Denn seit vergangener Woche wird.im Iran wieder nach dem islamischen Kalender gerechnet, also zählt das Jahr 1397. Eine ?,Zeitverschiebung“, die zeigt, daß sich das Land in einem Umbruch befindet. Tatsächlich steckt Persien in einer tiefen Krise, zeichnet sich immer schärfer ein Bürgerkrieg zwischen „konservativen“ Moslems>und dem fortschrittlichen“ Machtapperat des Schah ab. Die Schiiten haben dem Regime den Kampf angesagt.

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Das Jahr 2537 nach der Zeitrechnung des Schah von Persien wird dem allmächtigen Resa Pahlewi nicht in allzu guter Erinnerung bleiben. Denn seit vergangener Woche wird.im Iran wieder nach dem islamischen Kalender gerechnet, also zählt das Jahr 1397. Eine ?,Zeitverschiebung“, die zeigt, daß sich das Land in einem Umbruch befindet. Tatsächlich steckt Persien in einer tiefen Krise, zeichnet sich immer schärfer ein Bürgerkrieg zwischen „konservativen“ Moslems>und dem fortschrittlichen“ Machtapperat des Schah ab. Die Schiiten haben dem Regime den Kampf angesagt.

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Spektakuläre Finanztransaktionen, Waffeneinkäufe in Milliardenbeträgen und die rücksichtslose Vorgangsweise der iranischen Geheimpolizei Savak bescherten dem Schah und seinem Land seit jeher stets einen Platz auf den Titelseiten der Massenmedien der Welt. Aber erst seit dem Jänner dieses Jahres macht auch die innenpolitische Situation Persiens Schlagzeilen. Nach den Berichten über Terroranschläge, Brandstiftungen und blutige Unruhen in zahlreichen Provinzstädten des riesigen Erdölstaates suchten politische Beobachter die Ursachen für diese Flutwelle gewalttätiger Rebellionen. Sie fanden sie in der „Verschlechterung der Lebensbedingungen für die einfachen Leute durch Inflation, Korruption, Landflucht, imperiale Bürokratie, Wohnungsnot, steigende Lebensmittelpreise und immer schwierigere Umweltbedingungen“ (NZZ).

Die Geduld von Millionen armer Perser mit dem Schah-Regime, das ihnen im Zuge der Industrialisierung gleichfalls eine Besserung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation versprochen hatte, ging schließlich zu Ende, nachdem die Masse der Bevölkerung erkannte, daß vom plötzlichen Erdölreichtum nur eine kleine Schichte profitierte.

Solchermaßen angestauter Unmut brauchte ein Ventil und brauchte vor allem auch ein Sprachrohr, um dem Protest Nachdruck zu verleihen. Parteien, Parlament und Massenmedien waren verpönt, denn sie waren ja sowieso nur Instrumente des Schah. Also blieben nur die Mullahs - die Priester-die sich auch unter dem Schah-Regime ihre Sonderstellung bewahren konnten und bei der Bevölkerung seit jeher hohes Ansehen genossen. Und tatsächlich stellten sich die etwa 160.000 Mul-

lahs an die Spitze der unruhigen Bevölkerung, wurden zum Zentrum der Protestbewegung.

Gewißermassen zu einem Katalysator innerhalb der Protestbewegung würden radikale marxistische Intellektuelle, die sich unter die Unzufriedenen mischten und die Protestdemonstrationen wo es nur ging in eine gewalttätige Richtung zu lenken versuchten. Zustande kam schließlich eine Aktionseinheit von religiösen Fanatikern und radikalen Marxisten,

Den Mullahs kam ihre neue Rolle als politische Oppostition beziehungsweise als „Speerspitze“ der mit dem Schah unzufriedenen Bevölkerung nicht ungelegen. Für sie war es ein willkommener Anlaß, endlich massiv gegen die „Verwestlichung des Iran“ aufzutreten und den Ruf nach alten Traditionen und alten Rechten mit der Masse der Bevölkerung im Rücken

stärker denn je zu erheben. Die rasche Modernisierung - so die Schiiten -habe die Substanz der religiösen Doktrin des Islam unterhöhlt. Und so ergab sich aus den Forderungen religiöser Fanatiker ein Kreuzzug gegen alle Symbole westlicher Lebensweise: Kinos und Banken gingen in Flammen auf, Geschäfte wurden zerstört, Mädchen, die keine Schleier trugen, galten als Abtrünnige und zogen den Zorn fanatischer Moslems auf sich.

Eines der letzten und erschreckendsten Beispiele in dieser Kette von Gewalttaten war der Brand in einem Kino in Abadan, bei dem 377 Menschen den Tod fanden. Wer die Brandstifter waren, ist ungeklärt.

Jedenfalls sah sich der Schah nach diesem grausamen Terrorakt veranlaßt, die Regierung umzubilden und “den bisherigen Ministerpräsidenten, den westlich orientierten Technokra-

ten Amouzegar, durch den traditionellen Politiker Sherif Emami zu ersetzen. Emami werden gute Beziehungen zu den Mullahs nachgesagt, und offensichtlich soll er als „Versöhner“ zwischen dem Schah und der religiösen Opposition auftreten.

Ob der Schah mit der Ernennung Emamis allerdings einen guten Schachzug getan hat, bleibt fraglich. Denn die aufgebrachten Oppositionellen fordern als Minimum, daß sich der Schah in die Position eines konstitutionellen Herrschers zurückzieht, wie dies in der theoretisch noch gültigen Verfassung des Jahres 1906 festgelegt ist. Resa Pahlewi hat aber gerade jenen Politiker zum Ministerpräsidenten gemacht, der ihm am loyalsten gesonnen ist und will demnach weiterhin alle Zügel selber in den Händen halten.

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