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Amtsbehindert

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Seit 25 Jahren wird Bischof Julijonas Steponavičius, Apostolischer Administrator der litauischen Erzdiözese Vilnius, von den Behörden an der Verwaltung seiner Diözese gehindert. Er lebt in der Verbannung - streng überwacht von den Sicherheitsorganen - im Dorf Žagare, das zur Nachbardiözese Kaunas gehört.

Steponavičius — Symbol des kirchlichen Widerstandes gegen die Unterdrückung der Religion - gilt als jener Kardinal, den Papst Johannes Paul II. 1979 geheim („in pectore“ ) ernannt hat. Im Marienheiligtum von Ostra Brama in Vilnius wird heute das Kardinals- birett des aus Polen stammenden Papstes aufbewahrt. Mit dieser Tatsache hängt das Gerücht zusammen, daß Steponavičius der geheime Kardinal sei.

Es entspricht einem alten Brauch, daß der neugewählte Papst beim Verlassen der für die Papstwahl bestimmten Vatikan- Gemächer dem Konklavesekretär sein Kardinalsbirett überreicht und damit diesen Mann ohne jede weitere Amtshandlung zum Kardinal macht. Dieser Tradition folgte der Papst aus Polen nicht. Wir wissen nicht, warum, und werden es vielleicht nie erfahren. Die Uberbringung des Kardinalsbiretts Karol Wojtylas nach Vilnius dürfte jedenfalls mehr als eine Geste der bloß freundschaftlichen Verbundenheit darstellen.

Der 75 jährige Steponavičius wurde 1936 zum Priester geweiht und im September 1955 zum Weihbischof der Diözese Panevėžys ernannt. Zwei Jahre später wurde er Apostolischer Administrator der Diözese Vilnius und Panevėžys mit allen Rechten eines residierenden Bischofs. 1961 — auf dem Höhepunkt der von Nikita Chruschtschow entfesselten Kirchenverfolgung in der Sowjetunion - wurde er verhaftet und ohne Gerichtsverfahren unter Hausarrest gestellt.

An dieser Situation hat sich bis heute nichts geändert. 1980 war Steponavičius anläßlich seines Silbernen Bischofsjubiläums gestattet worden, in seine Diözese zurückzukehren. Die Nachricht war im Untergrund weiterverbreitet worden, sodaß sich damals ungezählte Gläubige in der St. Michaels-Kirche in Vilnius einfanden, um ihren Bischof zu feiern.

Verletzung der Kultgesetze — so lautete die Anschuldigung der sowjetlitauischen Medien gegen Bischof Steponavičius in den sechziger und siebziger Jahren. Der Bischof hatte nämlich seine Priester immer wieder an die Pflicht erinnert, Kinder und Jugendliche religiös zu unterweisen. Später kam der Vorwurf, Steponavičius unterhalte Kontakte zu „extremistischen Priestern“ und Exil-Litauern. Die Behörden ignorierten in den vergangenen Jahrzehnten sämtliche Protestschreiben des Bischofs. In der litauischen Sowjetrepublik ist Steponavičius „kein Bischof“ .

Der amtsbehinderte Oberhirte durfte auch nicht nach Rom fahren, als 1983 alle anderen litauischen Bischöfe zu einem ad-limi- na-Besuch in die Ewige Stadt reisten.

Während der vergangenen Jahre haben litauische Priester und

Laien wiederholt Unterschriftensammlungen für die „Rehabilitierung unseres wahren Oberhauptes“ durchgeführt — ohne Erfolg. Sogar eine Petition mit 17.400 Unterschriften, in der die Wiedereinsetzung von Bischof Steponavičius in sein Amt gefordert wurde, blieb ohne Beachtung.

Für Rom und für die litauischen Gläubigen blieb Steponavičius aber immer der rechtmäßige Apostolische Administrator der Erzdiözese Vilnius — auch wenn das Domkapitel der litauischen Hauptstadt mit Zustimmung der staatlichen Behörden den Priester Algirdas Gutauskas zum Verwalter der Diözese gewählt hat.

Die sowjetlitauischen Behörden sind sich im klaren darüber, daß trotz Verbannung und Überwachung der Einfluß des amtsbehinderten Bischofs noch sehr groß ist. Nicht umsonst reiste der litauische Kirchenamtsleiter Petras Anilionis vor drei Jahren persönlich zu Steponavičius, um ihn vor weiteren „Einmischungen“ in die kirchlichen Angelegenheiten Litauens abzuhalten. F. H./I. Z.

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