7058078-1991_25_15.jpg
Digital In Arbeit

Amtskirche und Verhütungsmittel

19451960198020002020

„Die Haltung der Amtskirche zu Verhütungsmitteln” nahm der Studententag des Cartell-Verbandes in einer am 31. Mai beschlossenen Resolution aufs Korn. Die FURCHE dokumentiert den Wortlaut.

19451960198020002020

„Die Haltung der Amtskirche zu Verhütungsmitteln” nahm der Studententag des Cartell-Verbandes in einer am 31. Mai beschlossenen Resolution aufs Korn. Die FURCHE dokumentiert den Wortlaut.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Sexualität stellt eine zentrale Komponente einer harmonischen partnerschaftlichen Beziehung dar und sollte keineswegs nur der Fortpflanzung dienen. ”Schon aus diesem Aspekt sollte die Entscheidung über die Anwendung von Verhütungsmethoden der freien Gewissensentscheidung der Partner überlassen werden. Weiters sollte es einem Kind ermöglicht werden, in eine Atmosphäre innerer Bereitschaft der Eltern und optimaler Bedingungen der Umgebung geboren zu werden. Auch daher sehen wir die verantwortungsvolle und partnerschaftliche Anwendung von Verhütungsmitteln als zulässig an.

Aber auch ein zweiter Aspekt erscheint uns wesentlich: Die Weltbevölkerung, die zur Zeit bei circa 5,6 Milliarden hält, wächst rasch weiter an. Besonders in den Entwicklungsländern, die größte Probleme in der Bekämpfung von Hunger und Armut haben, ist das Bevölkerungswachstum als explosiv zu bezeichnen.

Überbevölkerung

Wer Verhütungsmittel als Instrumente der Familienplanung verbietet, setzt sich dem Vorwurf aus, das Überleben von Kleinkindern in der Dritten Welt zu gefährden, diesen Ländern die Entwicklung einer Zivilisation und menschen würdiger Strukturen zu versagen und eine ökologische Katastrophe in Folge einer Überbevölkerung mitzuverursachen. Auch das ist wohl schwer mit dem Schutz des Lebens und dem göttlichen Liebesgebot, aus dem eine spezifische Verantwortung für den Nächsten entspringt, zu vereinbaren.

Die weltweit inakzeptabel hohe Abtreibungsrate und die Diskussion über die Einführung der „Pille danach”, die die Abtreibung erleichtert, ist für die ÖCV-Studentenschaft ein Grund zu emster Besorgnis.

So ist es auffällig, daß es in Ländern wie Polen oder Irland, in denen die Bischöfe empfängnisverhütende Maßnahmen strikt ablehnen, eine besonders hohe, in den Niederlanden hingegen, wo die katholische Kirche die Entscheidung über die Anwendung von Verhütungsmitteln in das Gewissen des einzelnen liegt, eine niedrige Abtreibungsrate gibt.

Da einerseits die von der Kirchenleitung tolerierte „natürliche” Methode der Empfängnisverhütung nicht (genügend) greift, andererseits aber alle Maßnahmen zu billigen sind, die die Abtreibung und damit die absolut abzulehnende Tötung ungeborenen Lebens zurückdrängen, fordern wir ein Überdenken der Haltung der Kirchenleitung. .

Probleme sehen wir ÖCV-Studen-ten in diesem Zusammenhang und aufgrund unseres katholischen Glaubens zur Zeit aber in der von der Kirchenleitung in Rom vertretenen Haltung in der Frage Verhütungsmittel und Aids. Das Recht auf Leben umfaßt nach Ansicht der katholischen ÖC V-Studenten nicht nur den Schutz der Ungeborenen, sondern muß auch dem geborenem Leben voll gewährleistet werden.

Verhütung und Aids

Wenn nun in Zusammenhang mit der zunehmenden Immunkrankheit Aids von der Kirchenleitung auch in der ehelichen Geschlechtlichkeit die Verwendung von Verhütungsmitteln völlig abgelehnt wird, so besteht die Gefahr, daß der Schutz von geborenem Leben aus heutiger medizinischer Sicht gefährdet ist. Hat sich ein Partner auf irgendeine Weise mit Aids oder einer anderen sexuell übertragbaren Krankheit angesteckt, so besteht für seinen Partner akute Anstek-kungs- und oft sogar Lebensgefahr, wenn er sich nicht durch Verhütungsmittel schützt.

Gemäß dem Auftrag, daß der Vorrang des menschlichen Lebens für ungeborene als auch für kranke Mitmenschen generell gewährleistet sein muß, ergibt sich hier eine Zwiespältigkeit, deren Nichtbeachtung keinesfalls dem von der Katholischen Kirche geforderten und vertretenen Recht auf Leben entspricht.

DerÖCV-Studentenverband fordert daher sowohl die Österreichische Bischofskonferenz als auch alle anderen in Österreich lebenden Repräsentanten der Kirche auf, ihre Haltung zur Empfängnisverhütung neu zu überdenken und glaubwürdig den verantwortlichen Stellen in Rom gegenüber zu vertreten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung