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An den offenen Wunden Afrikas

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Auf seiner 41. Auslandsreise vom 27. April bis zum 5. Mai besuchte Papst Johannes Paul II. zwei afrikanische Inseln im Indischen Ozean und zwei Länder im südlichen Teil des Kontinents.

Bei seiner Ankunft in Madagaskar machte der Papst gleich den Sinn seiner Reise klar. In einem Gespräch mit dem Präsidenten von Madagaskar, Didier Ratsira- ke, erwähnte er die sozialen und ökonomischen Schwierigkeiten des Landes, er hob aber hervor, daß das Land bemüht sei, die „volle religiöse Freiheit“ zu stärken. Bei einem Treffen mit anderen christlichen Gemeinschaften betonte er die Zusammenarbeit, die es auf vielen Gebieten gebe, es werde die „lebendige Brüderlichkeit“ aufgebaut.

In Reunion, einem französischen Uberseedepartement, wurde der Papst vom französischen Ministerpräsidenten Michel Ro- card begrüßt. Dieser brachte die Ergriffenheit Frankreichs wegen des päpstlichen Appells für den Libanon zum Ausdruck. In Reunion hat der Papst Bruder Scubi- lon seliggesprochen. Dieser „alte Bruder“, wie er auch genannt wird, hat noch vor der Aufhebung der Sklaverei 1848 den Bewohnern der Insel gesagt, egal ob sie frei seien oder nicht, „für Gott sind alle Menschen Söhne, die Schwarzen und die Weißen. Deshalb können wir ihn alle unseren Vater nennen“.

Auf den ostafrikanischen Inseln leben Angehörige verschiedener Rassen: Afrikaner, Europäer, Inder und Chinesen. Johannes Paul II. begrüßte ihren Willen, in Frieden und Einheit ihre ethnischen und kulturellen Verschiedenheiten zu leben. Er rief sie auf, diesen

Reichtum des gegenseitigen Einverständnisses weiterzuentwik- keln.

In Madagaskar und in Reunion, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung jünger als 20 Jahre ist, beunruhigen die hohe Scheidungsrate, die große Zahl unehelicher Geburten und das zunehmende Konkubinat die Kirche. Der Papst erinnerte daran, daß die .Ehe nicht ein Überbleibsel aus der alten Zeit sei.

In Sambia fiel der Papstbesuch mit den Feierlichkeiten anläßlich des Hundertjahrjubiläums der Anwesenheit der katholischen Kirche in diesem Land zusammen. Sambia ist ein Land an der Frontlinie zu Südafrika, und der Papst nahm dort gegen die Apartheid Stellung: „Ja, der Rassismus wird verurteilt, aber es ist nicht genug, ihn zu verurteilen, es müssen die Bedingungen geschaffen werden, um den Schrecken von den Menschen zu nehmen, damit sie in Aussöhnung weiterleben können.“

Mit dem Führer der ANC (Antiapartheidbewegung), die in Lusaka, der Hauptstadt Sambias, ihr Stabquartier hat, war kein offizielles Treffen geplant. Der sambische Präsident Kenneth Kaunda bedankte sich beim Heiligen Vater für dessen Anteilnahme an den afrikanischen Problemen: Hunger, Bürgerkrieg und Schulden. Vor mehr als 40 Diplomaten hat Johannes Paul II. die baldigste Unabhängigkeit Namibias und den schnellen Abzug der ausländischen Soldaten aus Angola gefordert.

In dieser Region ist Aids sehr verbreitet. Zum Beispiel sind in Malawi 18 Prozent der Neugeborenen mit dem Aids-Virus infiziert. Der Papst rief zum Kampf gegen diese Krankheit auf und bat die Menschen, die Erkrankten so aufzunehmen wie Christus.

Schwerpunkt dieser Reise waren die Treffen mit der Jugend: Der Papst warnte sie vor einem künstlichen Paradies, vor dem Streben nach materiellem Luxus. Er bat sie: .„Gebt Eure Energie, Eure Güte, Euren Enthusiasmus Christus und seiner Botschaft.“ Er rief sie auf, Frieden zu bauen und der Gewalt abzusagen; sie sollten Architekten der zukünftigen Kirche und ihrer zukünftigen Länder sein. „Das Leben des Menschen auf der Erde ist ein Kampf, der immer wieder neu geführt werden muß. Man muß immer vorwärts gehen und darf sich nicht häuslich niederlassen.“ Während seines Aufenthalts in Malawi galt sein Aufruf der Hilfe für die Flüchtlinge in Malawi, Sambia und Swaziland. Die Flüchtlinge sind in diesem Teil Afrikas das größte humanitäre Problem. Sieben Millionen Menschen aus Südafrika, Angola und besonders aus Mozambique leben hier, weil sie vor dem Bürgerkrieg, vor politischen Repressionen und vor dem Hunger geflüchtet sind.

Diese Reise des Papstes galt der Sorge des Vatikans um die Wunden Afrikas: das Streben nach einem Gleichgewicht der ökonomischen und sozialen Entwicklung, die Suche nach der Aussöhnung mit sich selber, die Hoffnung, in Zukunft besser und in Frieden zu leben.

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