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An der Geldquelle

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Weil „man in Österreich ohne Preisgabe der Identität Sparbücher oder Wertpapierdepots eröffnen kann”, schreibt das deutsche Wirtschaftsma-gazin „Capital”, und weil sich „hier die Ersparnisse noch diskreter deponieren lassen als auf den schweizerischen Nummernkonten”, so der „Stern”, entdecken immer mehr bundesdeutsche Geldanleger die anonymen Überbringer- bzw. Sparkonten bei den österreichischen Kreditinstituten.

Experten schätzen, daß etwa drei Prozent der bei österreichischen Banken und Sparkassen gehorteten rund 640 Milliarden Schilling auf anonyme deutsche Anleger entfallen: immerhin rund 20 Milliarden Schilling. Im Vorarlberger Kleinwalsertal verwaltet die Raiffeisenkasse Hirschegg rund 80 Millionen Mark Spareinlagen. „Was den besonderen Reiz des Kleinwalsertals ausmacht, ist die Währungsgleichheit”, schreibt „Capital”: „Der Anlageinteressierte braucht seine D-Mark,-Reserven nicht erst umzutauschen, bevor er ein Sparkonto errichtet, und spart dadurch auch Bankspesen.”

Mit einer „Quellensteuer” auf Sparzinsen wäre das schöne Geschäft zu Ende, sagt Vizekanzler Hannes Androsch, ganz abgesehen davon, daß sie unsozial, im Fall einer sozialen Staffelung jedoch äußerst verwaltungsintensiv wäre.

Der Finanzminister war nicht immer dieser Meinung. Schon im Oktober 1975 äußerte er sich in einem Interview mit der „Arbeiterzeitung” durchaus interessiert, auch in Österreich eine Quellensteuer auf die Sparzinsen einzuführen. Im Frühherbst 1978 dachte er wiederum laut in diese Richtung, zumal vor allem die Experten der Arbeiterkammer diese Steuerquelle in ihren Konzepten fleißig propagierten. Als einige Zeitungen über diese Absicht berichteten, distanzierte sich der Vizekanzler wieder davon. - Nun haben Bundeskanzler Bruno Kreisky und SPÖ-Klubobmann Heinz Fischer diesen Plan wieder erneuert: Statt einer unsozialen Strom- und Gaspreiserhöhung sollte man doch lieber die Zinserträge auf Spareinlagen besteuern. Prompt reagierten die Öffentlichkeit, Hannes Androsch, ÖVP-Ob-mann Alois Mock und die Wirtschaft äußerst empfindlich. Die „Süddeutsche Zeitung” fand zu einem köstlich-kühnen Bild: Der Bundeskanzler wollte eine heilige Kuh schlachten, hat aber versehentlich ein Sparschwein erwischt und dabei in ein Wespennest gestochen.

Zunächst ist eine „Quellensteuer” weder neu noch sensationell. Sie wird an der „Quelle” abgegraben. So zwak-ken beispielsweise die Arbeitgeber vom Einkommen ihrer Mitarbeiter die Lohnsteuer, die Sozialversicherungsbeiträge und oft auch den Gewerkschaftsbeitrag ab, die sie dann an den Fiskus, an die Sozialversicherungsanstalten und auch an den ÖGB abführen. Gelegentlich klagen sie dann über ihre unbezahlten Dienste für den Fiskus.

Auch die Besteuerung von Sparzinsen ist nicht neu in Österreich. Grundsätzlich müssen die Einkommen aus Kapital versteuert werden, sofern sie den derzeit geltenden Jahresfreioetrag von 7.000 Schilling übersteigen. Diese gesetzliche Bestimmung wird freilich nur von einem geringen Teil der Sparbuchbesitzer erfüllt, wozu kommt, daß nur die wenigsten von dieser Regelung überhaupt wissen.

Spargeld ist bei den Geldinstituten zumeist anonym verwahrt. Sparbücher sind sogenannte „Uberbringerpa-piere”: wer immer das passende Losungswort kennt, kann von einem solchen Sparbuch abheben. Eine Ausweisleistung ist bei.solchen „Überbringer-papieren” nicht vorgesehen. Das System kommt der Bescheidenheit österreichischer Anleger durchaus entgegen.

Dem Fiskus werden daduruch in diesem Jahr rund sieben Milliarden Schilling entgehen. Dieses Geld, oder wenigstens einen Teil davon, will Kreisky dem Staat erschließen. Durchaus zu recht verweist er darauf, daß das ja auch beispielsweise in der Schweiz und in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert.

Allerdings übersieht der Bundeskanzler österreichische Besonderheiten, wozu das Sparbuch-Quasimonopol bei der Bildung von Geldvermögen zählt. Österreich hat keinen funktionierenden Aktienmarkt, hierzulande dominiert die Fremdfinanzierung, deren Mittel zum Großteil über das anonyme Sparkapital besorgt werden.

Trotz zahlreicher Versprechen hat Finanzminister Androsch in den letzten zehn Jahren daran nichts geändert. Die Bildung von Risikokapital als Alternative zur Bildung von Sparbuchkapital wurde nicht einmal ansatzweise gefördert. Die Aktie ist äußerst unbeliebt, wozu nicht zuletzt auch Polemiken sozialistischer „Wirtschaftspolitiker” beitrugen.

' In dieser Situation und auch infolge einer ohnedies sinkenden Sparneigung (worüber nur meist manipulierte „Weltspartags”-Rekordergebnisse hinwegtäuschen können) könnte jede Art von Verunsicherung der Sparer großen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. Denn die kleinen und großen Sparer in Österreich sorgen für die notwendige Liquidität in unserem Geldsystem sowie für die Finanzierung der Investitionen und damit für das Wachstum der Wirtschaft.

Ohne begleitende Maßnahmen zur Bildung von Risikokapital in Form von Beteiligungen an Unternehmen wäre die Einführung einer „Quellensteuer” eine schwer kalkulierbare Gefahr für die Finanzierung unserer Wirtschaft. Daran tragen nicht zuletzt auch die Versäumnisse auf dem Gebiet der Vermögenspolitik schuld.

Grundsätzlich ist die Idee der Einführung einer sogenannten „Quellensteuer” weder gut noch schlecht. Sie ließe sich auch relativ einfach administrieren, wenn man beispielsweise nur anonyme Sparbücher damit belegen würde. Bloß: so eindimensional wie Kanzler und Vizekanzler ihren Streit mit Hilfe der „Quellensteuer” austragen, sollte weder der Gedanke an ihre Einführung noch an ihre Ablehnung diskutiert werden.

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