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An der Kandare der Parteipolitik

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Die Zustimmung zur militärischen Landesverteidigung ist groß, das Budget dagegen klein. Dazu kommt der parteipolitische Primat vor sachlich motivierten Entscheidungen.

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Die Zustimmung zur militärischen Landesverteidigung ist groß, das Budget dagegen klein. Dazu kommt der parteipolitische Primat vor sachlich motivierten Entscheidungen.

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Nach Meinungsumfragen bejahen über 80 Prozent der Österreicher ein Heer und die Notwendigkeit einer militärischen Landesverteidigung. Damit liegt das Verteidigungsbewußtsein in Österreich beachtlich hoch — auch im internationalen Vergleich. Diese grundsätzlich hohe Zustimmung findet ihren schizophrenen Niederschlag in einem der geringsten

Verteidigungsbudgets - ebenfalls im internationalen Vergleich.

Es gibt sehr viele Anhaltspunkte, die sehr deutlich bestätigen, daß das Verhältnis Bundesheer- Bevölkerung grundsätzlich sehr gut, ja sogar herzlich ist. Angelobungen in der Öffentlichkeit - wo immer sie stattfinden — werden geschätzt und finden in der Bevölkerung großen Anklang. Einen besonderen Beweis der Zusammengehörigkeit stellte das große Herbstmanöver 1986 in der Steiermark dar. Obwohl es in einer „Krisenregion“ stattfand - Arbeitsplatzsituation und beschämend politisch verantwortungsloses und würdeloses Draken- Hickhack —, war die bewußte Zustimmung der Bevölkerung und der Behörden auf Gemeinde- und Bezirksebene spürbar und geradezu überwältigend.

Auch unsere Jugend geht - ge-

nereli gesehen — mit durchaus vernünftiger Einstellung an den Wehrdienst heran. Sie ist (Gott sei Dank!) anspruchsvoller geworden, was den Sinn und die Einsehbarkeit von Maßnahmen betrifft.

Jeder mit der Ausbildung unserer jungen Soldaten befaßte Offizier oder Unteroffizier wird bestätigen können, daß dann, wenn es gelingt, einsehbar und sinnvoll zu fordern und Vorgesetzte als Vorbild akzeptiert werden, jede Leistung erbracht wird. Freuen wir uns darüber.

Weitere wertvolle Signale sind die zahlreichen Partnerschaften zwischen Truppenkörpern und zivilen Organisationen und Betrieben. Besonders hervorzuheben ist die Partnerschaft zwischen der Panzergrenadierdivision und einer großen Teilorganisation des österreichi- sehen Gewerkschaftsbundes.

Uber den partnerschaftlichen Beitrag der Integration von Heer und Bevölkerung hinaus wurde damit in demokratisch würdiger Weise Vergangenheit bewältigt. Aus der historisch bedingten Spannung zwischen Militär und „Arbeiterschaft“ ist mittlerweile eine Haltung der Zustimmung und des Verständnisses entstan- v den.

Viel zu dieser erfreulich positiven Entwicklung hat die Entstehung der auf österreichische Verhältnisse abgestimmten Verteidigungskonzeption der Raumverteidigung mit der damit verbundenen Hinwendung zu einem Milizsystem beigetragen.

Die damit eingeleitete Integration von Heer und Bevölkerung hat sich sicher bereits zum Vorteil ausgewirkt. Bei all diesen vielen positiven Ansätzen bleibt aber eine Frage offen: Wieso gelingt es nicht, diese vorhandene Zustimmung politisch umzusetzen und dem Heer j ene Mittel zu geben, die es braucht, um dem Auftrag, den es ja letztlich vom „Souverän“ , sprich vom Volk hat, glaubwürdig nachkommen zu können?

Wo liegt dafür die Wurzel? Oberflächlichkeit? Angst vor der eigenen Courage? Kleingläubigkeit? Mangelndes Selbstbewußtsein? Handelt das Heer richtig und einsehbar? Verstehen politische und militärische Führung die Zeichen der Zeit?

Das Verhältnis Heer-Politik ist grundsätzlich geprägt durch den für die Demokratie unerläßlichen Primat der Politik über das Militär. Primat der Politik bedeutet im wesentlichen Verfügungsgewalt und Verantwortung über den Einsatz des Bundesheeres, Auftragserteilung an das Bundesheer, damit verbunden konzepti- ve Vorgaben und Gesetze, Bereitstellung der finanziellen Erfordernisse, sowie Kontrolle durch die politische Führung gegenüber der militärischen Führung.

So ist zum Beispiel der „Landesverteidigungsplan“ eine klare, langfristige Planungsvorgabe der politischen Führung an die militärische Führung als Ausdruck des politischen Willens und der verantwortlichen Ausübung des Primats der Politik. Im alltäglichen Geschehen wird jedoch der Primat der Politik offenbar gründlich mißverstanden. An die Stelle der bereits angeführten Grundsätze treten parteipolitische Einflüsse um Postenbesetzungen. Von der Raumpflegerin bis zu Spitzenfunktionen wird es immer schwieriger, militärische Bedürfnisse gegenüber sach- fremden, zumeist parteipolitisch/ fraktionell motivierten Einflüssen durchzusetzen und zu bewahren, werden reine Fachentscheidungen verpolitisiert.

Dazu zählen auch parteipolitisch motivierte, offen und geheim genährte Zweifel am Verteidigungskonzept und Milizsystem, die zu einer parteipolitisch bedingten „Abwartehaltung“ statt zu einem fachlichen Engagement führen. Der Primat der Politik wird mit parteipolitischem Einfluß verwechselt.

Demgegenüber werden längst fällige Grundsatzentscheidungen, wie etwa die Vorgangsweise über den weiteren Heeresausbau, nicht getroffen, obwohl detaillierte Studien erstellt worden sind. Sie wurden über längere Zeiträume von der Tagesordnung des dafür zuständigen Landesverteidigungsrates abgesetzt.

Ähnliches gilt für einen Teil der im Landesverteidigungsplan festgelegten Rahmenbedingungen, die legistische Maßnahmen betreffen. Dafür werden praktisch über Nacht gegen den Willen der militärischen Verantwortungsträger die Offiziersschüler an der Militärakademie verbeam- tet, um Stimmberechtigte für die im Herbst stattfindenden Personalvertretungswahlen zu keilen.

Die beschriebenen Erscheinungsformen sind auch kein Zufall. Verteidigungspolitiker, die mit den Grundsätzen und Inhalten einer von der Sicherheitspolitik abgeleiteten Landesverteidigung vertraut sind, denen dies auch ein echtes Anliegen ist, sind in den politischen Parteien dünn gesät.

Parteipolitik wird aber nicht nur ins Heer hineingetragen, sondern auch von Heeresangehörigen selbst hineingezogen. Personen oder Gruppierungen, die Vorstellungen durchdrücken wollen, „bedienen“ sich geeigneter außermilitärischer Gremien, von wo diese Vorstellungen nunmehr als angebliche politische Vorgabe wieder in militärische Stellen einfließen.

Während sich zwischen Truppe und Bevölkerung ein grundsätzliches Vertrauen zu entwickeln begonnen hat, scheint das Verhältnis Heer-Politik zwar parteipolitisch organisiert und verflochten zu sein, ist aber in Grundsatzfragen des Primats der Politik gestört. Das Verhältnis Heer-Politik erscheint nicht staatspolitisch bestimmt, sondern als „Spielwiese“ parteipolitischer Interessen, wo je nach Interessenlage investiert oder verhindert wird.

Vielleicht ist dort die Antwort zu suchen, wieso die an sich positive Grundhaltung der Bevölkerung nicht ausreichend politisch umgesetzt wird.

Der Autor. Oberst des Generalstabes, ist Leiter der Ausbildungsabteilung 2 beim Armeekommando. Bisher erschienen von ihm zum Thema „Zukunft des Bundesheeres“ der Beitrag „Die programmierte Identitätskrise“ (FURCHE 7/1987) sowie der Beitrag „Eine Armee aller Bürger“ (FURCHE 8/1987).

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