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An die eigene Adresse

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Wie kann und soll man als Christ politisch handeln? Diese Frage erörterte jüngst ein Studientag im steirischen Bildungshaus Mariatrost, an der auch Rudolf Kirchschläger teilnahm. Eine Antwort des Bundespräsidenten: indem jeder bei sich anfängt, die Welt zu verändern. Denn: „Der Friede beginnt im eigenen Haus."

Die Bereitschaft, nicht nur von der Gesellschaft, vom Staat etwas zu verlangen, sondern Forderungen zuerst an die eigene Adresse zu richten, war auch bei zwei richtungweisenden Konferenzen der Laienbewegung der römisch-katholischen Kirche Österreichs in jüngster Zeit festzustellen.

Nach der Frühjahrskonferenz der Katholischen Aktion Österreichs (KAÖ), die vom 29. Februar bis 2. März in Wien-Lainz stattfand, tagte am 8. März in Wien-Neuwaldegg die Vollversammlung des österreichischen Laienrates. Ist die KA die besondere Form des unter bischöflicher Leitung verwirklichten Laienaposto-lats, so gehören zum Laienrat neben der KA auch alle übrigen apostolisch tätigen Organisationen, Verbände und Gruppen.

Die KAÖ-Konferenz nahm einen Bericht über das neue, umfassende Konzept einer Entwicklungspolitik zur Kenntnis, das in Broschürenform erhältlich ist (anzufordern bei der KAÖ, 1090 Wien, Türkenstraße 3), und will in einer gründlichen Diskussion in allen Gliederungen und Diözesen daraus kopkrete Konsequenzen ziehen.

Auch in der Frage der Schulpolitik, die sowohl bei der KA-Konferenz wie im Laienrat zur Sprache kam und der ein eigener Studientag am 3. März gewidmet war, richtete Weihbischof Helmut Krätzl Forderungen nicht zuletzt an die eigene Adresse (FURCHE Nr. 10, Seite 1).

Darüber hinaus wurde von der Vollversammlung des Laienrates einstimmig eine den Parlamentsparteien und der Bundesregierung zugeleitete Feststellung mit der Bitte um Berücksichtigung bei weiteren Diskussionen übermittelt. Darin wird nachdrücklich eine Beendigung der laufenden Schulversuche spätestens 1982 verlangt, das Elternrecht betont und einer subsidiär angebotenen freiwilligen Tagesheimschule, für die ein Kostenbeitrag in Betracht gezogen werden sollte, vor einem „faktisch verpflichtenden Ganztagsunterricht" der Vorzug gegeben.

Bemerkenswert konkret auch die Aussage zur Schuldemokratie: Die „Bemühungen um eine Weiterentwicklung der Schulgemeinschaft sollen verstärkt" und konkret in jeder Klasse pro Schuljahr mindestens drei Elternabende abgehalten werden.

Bei beiden Veranstaltungen nahm auch das Thema Schutz und Förderung des menschlichen Lebens breiten Raum ein. Walter Csoklich, der Vorsitzende der „Aktion Leben", referierte über die Erfahrungen der ersten fünf Jahre mit der Fristenlösung („Keine der Hoffnungen hat sich erfüllt") und kündigte die „Wiederaufnahme einer breiten Diskussion mit der Bevölkerung", aber auch mit den Bundes- und Landespolitikern an. Der 11. Mai ist als „Tag des Kindes" für besondere Informationsveranstaltungen vorgesehen.

„Für die Tätigkeit der im katholischen Einflußbereich gelegenen Familien-, Ehe- und Lebensberatungsstellen soll ein Konzept erarbeitet werden", heißt es in einem vom Laienratsplenum gleichfalls einstimmig verabschiedeten Antrag der Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände, des CV, des MKV und des Kolpingwerks. Und weiter wörtlich:

„Zu den Aufgaben dieser Beratungsstellen gehört auch eine wertorientierte Information über die Pflicht zu gewissenhaft verantworteter Elternschaft sowie über die Möglichkeiten einer verantwortungsbewußt praktizierten Empfängnisregelung. Das gesamte Angebot der Beratung soll auch mit den Mitteln der modernen Werbetechnik an möglichst viele Interessenten herangebracht werden. Von den derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln diverser diözesaner Fonds soll ein Teil ausdrücklich diesem Zweck gewidmet werden."

Damit die Öffentlichkeit einmal eingefressene Vorurteile gegen die Kirche in diesem Bereich korrigieren kann. Und damit die Kirche zur Schaffung eines kinderijeundlichen Klimas auch selbst noch besser als bisher beiträgt, empfahl der Laienrat u. a. eine Verbesserung der Absetzbeträge für Kinder beim Kirchenbeitrag: Linz geht da schon voraus.

Daß katholische Organisationen nicht nur medienwirksamen Forderungen nachlaufen, bewies die Frühjahrskonferenz der KAÖ mit dem Bekenntnis zu einem Versuch, „gegen die Abschwächung des Persönlichkeitsschutzes im Entwurf für ein Mediengesetz aufzutreten". Denn:

„Der Schutz der höchstpersönlichen Lebensbereiche vor Bloßstellungen in der Öffentlichkeit (etwa durch .Medienjustiz', öffentliche Bekanntmachung von Bild und Namen eines im Strafverfahren Verdächtigten vor der Verurteilung auch bei relativ geringfügigen Delikten und bei Ersttätern) muß das Anliegen eines christlichen Gewissens sein."

Angeregt wurde auch die Absicherung des Schutzes der Religion in den Verfassungsbestimmungen der zwei Eingangsparagraphen des künftigen Mediengesetzes. Schließlich wurde ein Verbot der Werbung für gewerbsmäßige Unzucht in den .,Ver-schiedenes"-Spalten von Tageszeitungen gefordert.

Zur Kenntnis genommen wurde der Bericht des Kontaktkomitees der KAÖ, das sich kürzlich mit Spitzenvertretern der SPÖ und der ö VP aussprach und demnächst auch mit solchen der FPÖ reden möchte. Die „Roten Markierungen 80", das neue Buch über gesellschaftspolitische Zielvorstellungen der Regierungspartei, sollen eingehend analysiert werden.

Für Herbst 1983 ist ein Katholikentag in Österreich vorgesehen, zu dem Papst Johannes Paul II. sowie Vertreter aus allen europäischen Ländern eingeladen werden sollen. Der 300. Jahrestag der Türkenbelagerung von 1683 ist eine unvermeidliche Orientierungsmarke, doch herrscht Einmütigkeit in der Auffassung, daß der Katholikentag zukunfts- und nicht vergangenheitsbezogen, aber auch umfassend ökumenisch und nicht etwa anti-islamisch ausgerichtet sein dürfe.

Sämtliche Beratungen bei KAÖ und Laienrat atmeten einen offenen, parteipolitikfernen Geist. Aber weil jüngst wieder des öfteren die Einbeziehung sozialistischer Katholiken in kirchliche Gremien eingemahnt worden ist: Zwei prominente von ihnen, die dem Laienrat angehören, kamen zu dessen Vollversammlung nicht.

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