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An ihren Serien wird man sie erkennen

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Nur wenige Angestellte im ORF-Zentrum Küniglberg müssen zwei Herren dienen. Einer von ihnen ist Reinald V/alter von der Abteilung „Filmprogramme“, der für beide Kanäle mit seinen Mitarbeitern rund 1100 Programmtermine im Jahr füllen muß, davon etwa 430 mit Spielfilmen, der Rest aber vor allem mit im Ausland eingekauften TV-Serien. Stellt nach dem mißglückten Debüt einer Serie ein Medienkritiker die provokante Frage: „Wer schaut sich eigentlich beim ORF vorher an, was uns vorgesetzt wird?“, so müßte sich in erster Linie Walter betroffen fühlen. Daß er nur Vorschläge machen kann, die letzte Entscheidung aber bei den Intendanten liegt, die oft selbst sehr intensiv in den Prozeß der Auswahl von Filmen und vor allem Serien eingreifen, liegt jedoch auf der Hand.

Ein rentabler TV-Produktions- und Sendebetrieb ist ohne Serien undenkbar. Obwohl Österreich auf Importe vom Ausland angewiesen ist, besteht laut Walter innerhalb des weiten internationalen Angebotes große Wahlfreiheit. Neben den traditionell wichtigsten Herkunftsländern - USA, England, Deutschland - versucht man zunehmend, andere Länder, etwa Frankreich („Marie Antoinette“, „Saint Ju-ste“) oder Polen („Die Bauern“, „Der

Vierzigjährige“) heranzuziehen. Außerdem will man nun selbst fremdsprachige Programme synchronisieren und neue Serien möglichst gleichzeitig mit den deutschen Fernsehanstalten ausstrahlen. Durch die jüngsten Beispiele dafür, die Montag-Serien „Roots“ in FS 1 und „Ein Mann will nach oben“ in FS 2, ist das übliche Programmschema dieses Tages (Kriminalserie in FS 1, gefühlvolle Familienstory in FS 2) ein wenig aus dem Gleichgewicht gekommen.

Mit der Mittwoch-Serie wül.FS-2-In-tendant Franz Kreuzer höhere Ansprüche stellen, deshalb läßt er sie in der Origihalsprache ausstrahlen. Ob die gegenwärtige Callgirl-Serie „79 Park Avenue“ das Passende ist, bleibt abzuwarten. Jedenfalls zeigt sie einen Trend der US-Serienproduktion auf, und immerhin kann man bei amerikanischen Serien (noch) halbwegs sicher sein, daß selbst heikle Themen geschmackvoll behandelt werden.

Der Freitagabend ist in FS 1 vorwiegend co-produzierten Serien („Der Alte“, „Derrick“) vorbehalten, eingekaufte („Die Onedin-Linie“) sind seltener, während es im zweiten Kanal eher umgekehrt ist. Dort stellt der demnächst für drei Folgen wiederkehrende „Mundl“ die Ausnahme dar,

während die importierte Serie ä la „Die Bankiers“ die Regel ist. Letztere zeigt auch deutlich einen längst gefestigten dramaturgischen Trend in den TV-Serien auf. Die alte Mammutserie mit einer Fülle untereinander austauschbarer Folgen ist durch den chronologisch ablaufenden Mehrteiler, der bei aller Geschlossenheit der einzelnen Folgen auf einen Höhepunkt - etwa in den „Bankiers“ durch den Kampf um die Leitung der Bank - zusteuert, verdrängt, wenn auch noch nicht total ersetzt worden. Die neueste, bei uns noch nicht spürbare Tendenz geht sogar dahin, für solche Mehrteiler wieder Fortsetzungsmehrteiler zu schreiben, denn „the show mast go on“ und die einmal getätigten Investitionen und die eventuell beim Publikum gewonnene Beliebtheit müssen optimal ausgenützt werden.

Daß durch das Fernsehen - speziell im Unterhaltungsprogramm - bestimmte Wertvorstellungen vermittelt werden, daß die Darstellung von Brutalität und Sexualität schädliche Folgen für den Zuschauer haben kann, das alles läßt sich zwar nach Ansicht kluger Leute nicht nachweisen, nach Ansicht anderer Leute, die wohl kaum minder klug sind, aber noch viel weniger widerlegen. Daß sich die beiden Intendanten verbal für ein wertorientier-

tes Programm aussprechen -FS-l-Chef Gerhard Weis etwa betont, daß er arge Brutalität ebenso wie platte Unterhaltung und gewisse Modetrends (Sexwelle) ablehnt - klingt gut, aber nur an ihren Früchten, sprich: an ihren Serien, wird man sie erkennen, denn diese machen nun einmal den Hauptteil des Programmes aus. Daß die Intendanten bei der Auswahl die ganze Fülle des internationalen Angebotes zur Verfügung haben, erhöht noch ihre Verantwortung.

Das gilt natürlich besonders für das Frühabendprogramm, aus dem anläßlich der Auseinandersetzungen um „Bonanza“ brutale Serien verbannt wurden, was seither auch im allgemeinen eingehalten wurde. Eine Sonderstellung nehmen offenbar die Serien nach antiken Stoffen („Odyssee“, „Aeneis“) ein, die nicht durch Walter, sondern die Hauptabteilung „Spiel 2“ angekauft werden. Der ab Juni als Kontrast zur „Zeit im Bild 1“ geplanten Serie „Ich, Claudius, Kaiser und Gott“ geht der Ruf voraus, etliche anstößige brutale und sexuelle Szenen zu enthalten. Diesem Vorwurf hält ORF-Öffentlichkeitsarbeiter Tilbert Matzka entgegen, die Serie sei im Bayerischen Fernsehen, das sie auch synchronisiert habe, ohne negatives Echo im Frühabendprogramm gelaufen. Matzka hat aber selbst nichts von der Serie gesehen, Alfred Heger von „Spiel 2“, der die Serie kennt, verweigerte der FURCHE jede Auskunft. Sollten die in der Originalfassung zweifellos vorhandenen Szenen (siehe ORF-Spalte Seite 4) entschärft oder geschnitten worden sein, müßte man dem ORF diesmal sogar dankbar sein.

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