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An Spannung noch gewonnen

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Das Engelwerk, eine mehrschichtige Bewegung in der katholi sehen Kirche innerhalb und außerhalb Europas, leitet sich von der Innsbruckerin Gabriele Bitterlich (1896-1978) her, deren Schriften für das Engelwerk als Privatoffenbarung gelten. Wegen des der katholischen Tradition fremden Engelkultes und diverser Praktiken wurde in vielen Diözesen Kritik laut. Von 1977 an beschäftigte sich die Glaubenskongregation ein erstes Mal mit dem Engelwerk und gab 1983 entsprechende Weisungen. Seit 1986 wurde das nur für Insider bestimmte „Handbuch des Engelwerkes" in der Öffentlichkeit bekannt. Es enthält Hunderte Namen von Engeln und Dämonen mit ihrer hierarchischen Position und ihrem Einfluß auf Welt und Menschenwelt.

Heiner Boberski, Redakteur der FURCHE, begann sich für das Engelwerk zu interessieren. Im März 1990 veröffentlichte er sein Buch „Das Engelwerk. Ein Geheimbund in der katholischen Kirche?" Dem Autor ging es in seinem „Beitrag zur Wahrheitsfindung" um die Frage, „ob diese Lehren in der römisch-katholischen Kirche ihren Platz haben können". Aufgrund anerkanntermaßen guter Recherchen und der daraus gewonnenen Fülle der Informationen hielt er „die dem Werk zugrunde liegenden Eingebungen der Frau Gabriele Bitterlich ebenso wie die daraufbauende Vorgangsweise des Werkes für einen gefährlichen Irrweg".

Mit 6. Juni 1992 ist das erstaunlich dezidierte Dekret der Glaubenskongregation datiert, das Ergebnis einer neuerlichen Prüfung, die sechs Jahre gedauert hatte. Die früheren Entscheidungen (von 1983) seien „nicht korrekt interpretiert und ausgeführt worden"; verboten werden vor allem der Gebrauch der angeblichen Offenbarungen Gabriele Bitterlichs sowie die „Engelweihen". Ein Delegat mit besonderen Vollmachten wird die Durchführung überprüfen.

Die eskalierende Geschichte des Engelwerks veranlaßte Boberski 1993 zu einer weiteren Auflage seines Buches. Mehr als ein Viertel ist neu konzipiert. Durch Straffungen und stilistische Verbesserungen hat das Buch an Lesbarkeit und Spannung noch gewonnen. Inhaltlich wird die Geschichte bis zur Gegenwart weitergeführt, Reaktionen auf das Dekret und Szenarien zur Zukunft des Engelwerkes werden geboten, „Menschenschicksale" in negativen Erfahrungen mit dem Engelwerk vorgestellt. Der „Zeittafel" gebührt besonders Lob.

Interessierten und Verantwortlichen ist die Neuauflage unbedingt zu empfehlen; die Erstauflage behält durch die Wiedergabe wichtiger Dokumente ihren Wert. Jenen vielen, die im Engelwerk nur auf traditionell christliche Weise die Engel verehren wollen, wird auf die Dauer die vielleicht schmerzliche Konfrontation mit Fakten nicht erspart bleiben; auch ihnen könnte das Buch eine Entscheidungshilfe sein. Das Buch ist ein Dienst an der Kirche, an der Glaubwürdigkeit ihres Evangeliums. Prälat Dr. Johannes Singer ist emeritierter Ordinarius für Fundamentaltheologie an der Katholisch Theologischen Hochschule Linz. DAS ENGELWERK. Theorie und Praxis des Opus Angelorum. Von Heiner Boberski. Otto Müller Verlag, Salzburg 21993. 329 Seiten, öS 298,-.

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