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Andere denken mehr an unsere Sicherheit

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Der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß hat in einer Pressestunde des österreichischen Fernsehens argumentiert, daß Österreichs Neutralität unbestritten sei, der freudvolle Genuß dieser Neutralität aber vom Funktionieren des westlichen Verteidigungsbündnisses abhänge.

Zwei Tage vorher hatte NATO-Ge-neralsekretär Joseph Luns in einem Interview sogar erklärt, daß Österreich im Fall eines Sowjetangriffs ein paar Tage lang Widerstand leisten müßte, dann aber auf NATO-Hilfe zählen könnte.

Kurt Heller aber, der Präsident des österreichischen Olympischen Comi-tees, hat entgegen früheren Ankündigungen klargemacht, daß Österreichs Olympiateam auf jede Art von noch so winziger Demonstration in Moskau verzichten werde - weil man als neutraler Staat eine Großmacht nicht politisch belehren sollte.

Diese drei Äußerungen gehören zusammen. Ihr gemeinsames Merkmal ist die Tatsache, daß sich über Österreichs Sicherheit zwar Staatsmänner im Ausland Gedanken machen, Verantwortliche im eigenen Land aber offenbar immer stärker zu geistiger Drük-kebergerei tendieren.

Das ist gefährlich. Dieser Tendenz gilt es, mit allem Nachdruck entgegenzuwirken. Wer sich selbst aufgibt, hat alsbald keine Freunde mehr.

Somit ist zuallererst Kurt Heller zu widersprechen. Die Neutralität verbietet uns in keiner Weise eine unmißverständliche Meinungsäußerung - nicht einmal der Regierung, schon gar nicht Privatleuten, und regierungsunabhängige Privatleute wollen die. Sportler doch, so sagt man uns, sein.

Heller hätte ehrlich sagen sollen: Wir halten in Moskau den Mund, weil wir' die Russen bei Laune halten möchten. Oder noch deutlicher: weilwir ihr Erdgas brauchen!

Dafür hätte er sich zwar auch Kritik verdient, aber nicht eine so harte wie für Verwirrung und Irreführung in puncto Neutralität.

Franz-Josef Strauß hat im ORF hart, da und dort auch grob vereinfachend, im Grund aber richtig argumentiert: Ohne starke NATO gäbe es auch die österreichische Neutralität und die österreichische Freiheit nicht!

(Außerdem, aber das nur am Rande, hat er sich, wenn auch überdrehend, von österreichischen Politikern dadurch wohltuend unterschieden, daß er Journalisten nicht in den Mastdarm kroch.) [

Schließlich hat NÄTO-Generalse-kretär Luns nur ausgesprochen, was jeder Völkerrechtslehrer ohne Wenn und Aber bestätigen kann: daß Österreichs Neutralitätsverpflichtung in dem Augenblick erlischt, als es angegriffen wird. Sobald der erste Soldat der Aggressormacht unsere Grenze überschreitet, sind wir völkerrechtlich befugt, jede Art von militärischer Fremdhilfe in Anspruch zu nehmen.

Das hat Österreichs Außenminister Willibald Pahr mit der vorsichtigen Bemerkung gemeint: „Wenn wir angegriffen werden, dann werden wir Unterstützung und Hilfe dort suchen, wo wir sie finden”. Aber man merkte, wie peinlich ihm die ganze Sache war, als er sagte: „Wir kümmern uns um unsere Sicherheit selbst.”

Wenn wir's nur wirklich täten!

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