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Anderer Umgang mit Technik

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Das Verhältnis des Menschen zur Natur hat insgesamt einen ganz eigentümlichen Wandel erfahren. Früher bestand da noch so etwas wie eine selbstverständliche Symbiose. Der Mensch hat von der Natur gelebt, er hat ihr entnommen, was er brauchte, und er hat sie gehegt und gepflegt dafür. Er hat sich vor ihr gefürchtet, so wie er sich an ihr freute, das heißt, sie war so etwas wie ein Partner in seinem Leben.

Mit der Neuzeit ändert sich dies grundlegend. Immer mehr gewinnt im Verhältnis zur Natur jetzt der Wunsch nach Beherrschung und Ausbeutung die Oberhand. Tiere und Wiesen, Seen, Wälder und Berge, die ganze Erde, alles das wird zunehmend nur noch unter dem Gesichtspunkt betrachtet, wie es sich am ergiebigsten nutzen läßt. Gefragt ist nicht mehr der Gärtner und der Hirte, sondern derjenige, der mit den Mitteln von Technik und Wissenschaft die gewinnträchtigste Vermarktung der Natur verspricht.

Es ist unbestreitbar, daß der Mensch auf diese Art immer mehr aus der Natur herausholt. Unser Wohlstand beweist es zur Genüge. Die Kehrseite nur ist, daß die Natur dem Menschen ihrerseits immer weniger sagt. Immer weniger kann der moderne Mensch in Wind, Sand und Sternen z. B. noch Spuren des Ewigen entdecken.

Es ist, als ob die Dinge sich entzögen, als sei Abschließung, Wegdrehen und Verstummen ihre Art, sich gegen jene Berechnung und Ausbeutung zur Wehr zu setzen, mit der wir ihnen gegenübertreten. Es ist, als würde dem Unternehmen „Weltherrschaft" hier die Rechnung präsentiert.

Vielleicht gibt es doch eine Linie, die eine Grenze darstellt zwischen Nutzung der Dinge und ihrer Ausnutzung, zwischen Gebrauchen und Verbrauchen - eine Grenze, die man auch den Dingen gegenüber nicht ungestraft überschreitet.

Darauf deutet nicht zuletzt heute auch der Umstand hin, daß die Art und Weise, wie der Mensch sich zum Herrn über die Erde erhebt, wie er in der Natur nichts anderes mehr sehen will als den Gegenstand möglicher Ausbeutung, gerade ihn selbst schließlich krank macht. Ganz offensichtlich verkümmert der Mensch selbst, wenn er sich zur Natur nur nach dem Prinzip der Herrschaft verhält. Er bleibt nicht allein der Natur etwas schuldig dabei, sondern sich selbst, er schneidet sich ab von Zusammenhängen, die für sein Wohlbefinden unabdingbar sind.

Wo Natur nichts anderes mehr ist als eine Masse, über die der Mensch verfügt, werden große Teile Ursprunglieber Wahrnehmung uns einfach fremd, und so schrumpft die Fähigkeit, zu sehen und zu hören, zu gehen, zu tasten und zu riechen. Und so wie derart das Verhältnis zur Natur verkümmert, so verkümmert in der Folge überzogenen Anspruchs von Wissenschaft auch das Verhältnis zum anderen Menschen - wir verlieren zunehmend die Fähigkeit zu helfen und zu trösten, füreinander da zu sein und einander glücklich zu machen.

Und ganz ähnlich ist es mit dem Bezug auf jene transzendente Wirklichkeit, die unsere Sprache von alters her das Göttliche nennt oder Gott

Wer den Menschen von aller außerwissenschaftlichen Wahrheit trennt und ihm als Zugang zur Wirklichkeit einzig noch die Herrschaft von Technik und Wissenschaft läßt, der befreit ihn nicht aus Abhängigkeit, die seiner Selbstverwirklichung im Wege steht, der nimmt ihm vielmehr die Möglichkeit, zu antworten auf das, was ihn alles angeht, und damit die Möglichkeit, in der Antwort auf solche Erfahrung zur Geltung zu bringen, was er eigentlich will.

Es wäre höchst mißverständlich, nach anderer Wissenschaft und nach sanfter Technik zu rufen. Was wir aber verfangen müssen, ist ein anderer Umgang mit Technik und Wissenschaft. Und eben dies setzt voraus, daß wir jenen umfassenderen Begriff von Wahrheit und Wirklichkeit wieder zur Geltung bringen, der in der Erfahrung des Lebens selbst bereitliegt.

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