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Anders rechnen lernen

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In der Auseinandersetzung, die sich hinter den Chiffren „Umwelt und Wirtschaft“ verbirgt, sind mindestens drei Diskussionsphasen erkennbar.

Phase eins markiert die „Reparaturstrategie“. Schäden, die durch Produktionsprozesse an der Umwelt verursacht wurden, werden durch zusätzliche Produktionsaufwendungen wenigstens teilweise wieder repariert. Die breite Palette dieser Reparaturaufwendungen reicht von den

Rauchgasfiltem der Kohlekraftwerke über die Lärmschutzbauten für Straßen bis zu den Kläranlagen für Abwässer und vielen Ausgaben in der Sozialversicherung.

Phase zwei markiert die „Integrationsstrategie“. Dahinter verbirgt sich auch die Erkenntnis, daß sowohl technische Innovationen als auch organisatorische Veränderungen etwaige Interessenskonflikte zwischen Umwelt und Wirtschaft konfliktlösend integrieren können. In weitesten Bereichen der Industrie registrieren wir betriebs- und volkswirtschaftlich höchst erwünschte Umstrukturierungen, die gleichzeitig stark die Umweltbelastungen reduzieren.

Beispielgebend sind dafür die Vorgänge in der österreichischen Papier- und Zellstoffindustrie. Beispiele für sinnvolle organisatorische Integrationen beobachten wir im Ausland auf dem Energiesektor: Durch eine Erweiterung des Untemehmenszie- les der traditionellen Spartenunternehmungen zu „Energiemultis“ erhöht sich die Effizienz des gesamten Energiesystems bei gleichzeitiger Reduktion der negativen Umwelteffekte.

Phase drei markiert die „Konsumstrategie“. Diese neueste Auseinandersetzung zwischen Umwelt- und Wirtschaftsinteressen empfiehlt eine bewußte Beurteilung von Konsumentscheidung hinsichtlich der Umweltfolgen. Jüngste österreichi

sche Beispiele sind dafür die Zwei- Liter- Kunststoffeinwegflasche, die Abfüllung von Getränken in Aluminiumdosen, aber auch die Ansprüche, die Konsumenten etwa an die Papierqualität stellen.

Hinter dieser Strategiediskussion verbirgt sich der Konflikt darüber, wie eigentlich der Erfolg von wirtschaftlicher Tätigkeit gemessen werden soll. Das nach wie vor dominierende Maß der Sozialproduktrechnung erweist sich als trügerisch, weil es prinzipiell jeden Umsatz, auch wenn er umweltvemichtend und umweltbelastend ist, positiv verbucht. Die Sozialproduktrechnung begünstigt somit Reparaturstrategien. Praktisch alle legislativen Maßnahmen zum Emissions- und

Immissionsschutz betonen den Reparaturaspekt.

Die Kritik an der Sozialproduktrechnung wirkt auch klärend im Koriflikt Umwelt und Wirtschaft: wohlstandsrelevanter als Umsätze sind Vermögensbestände. Und nur ein Teil der Produktion wird von den Konsumenten für wirklich wohlstandsvermehrend gehalten.

Zu erinnern ist ferner im Konflikt Umwelt und Wirtschaft an das Konzept der externen Effekte, die immer dann zu registrieren sind, wenn ein Produktionsvorgang positiv, meist aber negativ durch Emissionen, über seinen eigenen institutionellen Bereich hinaus andere Bereiche der Wirtschaft beeinflußt

Die betriebswirtschaftlichen Ko

sten decken dann nicht die tatsächlichen volkswirtschaftlichen Kosten ab. Am stärksten spürbar ist diese Diskrepanz im Energiebereich, wo vor allem bei der kalorischen Elektrizitätserzeugung die volkswirtschaftlichen Kosten der ungenutzten Abwärme dem Energieproduzenten betriebswirtschaftlich nicht zugerechnet werden.

Ein ähnliches Problem tritt in der Landwirtschaft auf, wo betriebswirtschaftliche Rentabilitätsüberlegungen Technologien begünstigen, die im Sozialbereich „Reparaturaufwendungen“ auslösen. Das Auftreten solcher externen Effekte führt in einem marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftssystem immer zu volkswirtschaftlichen Fehlentscheidungen.

Im wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozeß verdienen die „Integrationsstrategien“ (ein Beispiel dafür im Kasten) mehr Beachtung. Eine innovative Technologiepolitik, der kontrollierte Rückzug aus der überrepräsentierten Grundstoffindustrie, vor allem aber alle Aktivitäten zu einer effizienteren Energieverwendung bieten industriepolitische Optionen, die von den skandinavischen Ländern teilweise bereits erfolgreicher als von Österreich genutzt werden.

Vermehrt wäre in der politischen Meinungsbildung aber auf die umweltpolitische Dimension des Konsumverhaltens zu verweisen. Hier signalisieren Umfragen eine breite Akzeptanz der Konsumenten zugunsten von umweltschonenderen Produkten und Verpackungen, der im Produktionsbereich noch nicht die entsprechenden Produkte und Informationen gegenüberstehen.

Der Autor ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Graz.

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