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Androsch-Konzept für 1978: Zuckerbrot und Peitsche

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Man möchte ja die Bundesregierung so gern einmal loben. Aber sie macht es einem nicht leicht. Bei ihrem neuesten Wirtschaftsbericht geht's halt schon wieder nicht.

Resümee: Im Parlament nichts Neues. Der neue Wirtschaftsbericht, vom Bundeskanzler und dem Finanzminister in höchsteigener Person dem Hohen Haus präsentiert, entpuppte sich als „müder Aufguß“ - wie ein Abgeordneter zutreffend bemerkte - des Wirtschaftsberichtes vom Oktober.

Dies sei nicht wahr, konterte Androsch. Zum Oktober-Bericht sei Neues dazugekommen. Zugegeben. Ein paar neue Mascherln auf dem alten Hut.

Apropos Hut: Der Hut der österreichischen Volkswirtschaft brennt, aber statt das Wasser der nationalökonomischen Vernunft darüberzuschütten, wird gesellschaftspolitisches öl ins Feuer gegossen. Statt die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Wirtschaft zu erhöhen, die Voraussetzungen für eine bessere Ertragssituation und ein günstigeres Investitionsklima zu schaffen - allerdings nicht dadurch, daß man den Sparern ihre ungenügenden Zinssätze noch weiter reduziert -, statt also Maßnahmen in diese Richtung zu treffen, wird einerseits der Würgegriff am Hals der Wirtschaft noch härter, anderseits aber eine künstliche Beatmung mit Hilfe vermehrter staatlicher Fördermittel eingeleitet.

Aber atmen könnte-der Patient auch selber, man müßte ihn nur lassen. Doch gerade dies würde nicht ins gesellschaftspolitische Konzept der Regierung passen.

Und dieses Konzept heißt nach wie vor - wenn es auch elegant als „Arbeitsplatzsicherung“ und „Wirtschaftsankurbelung“ umschrieben wird - kalte Verstaatlichung oder „funktionelle Sozialisierung“, wie dies im wirtschaftspolitischen Jargon schwedischer Provenienz heißt.

Mit anderen Worten: Die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Staat soll mit Zuckerbrot und Peitsche forciert werden. Die Peitsche: Die direkten und indirekten Steuer- und Abgabenerhöhungen mit Hilfe des zweiten Abgabenänderungsgesetzes, diverser Maßnahmen auf dem Sozialversicherungssektor, der kommenden Lkw-Steuer und dergleichen.

Das Zuckerbrot: Staatliche Investitionen und Arbeitsmarktförderungs-mittel sowie verbilligte Kredite via Investitionskredit AG, welche „naturgemäß“ an zusätzliche Auflagen gebunden sind und mit deren Hilfe die Entscheidung über die Kreditvergabe in steigendem Maß zu staatlichen Instanzen verlagert wird. Selbstverständlich wird die Freizügigkeit bei den Krediten nicht beschnitten. Aber: Wer einen zinsgünstigen Kredit und damit einen Konkurrenzvorteü haben will, muß der Regierung genehm sein.

Auf der einen Seite werden mit Hilfe höherer Steuern und Abgaben der Wirtschaft dringend benötigte Investitionsmittel weggenommen, auf der anderen Seite erhält sie einen Teil davon zurück in Form von zinsbegünstigten Krediten als „Geschenk“ der Bundesregierung, wobei diese die Möglichkeit an die Hand bekommt,, sehr „selektiv“ vorzugehen.

Dies ist einer jener Widersprüche im Maßnahmenpaket, welche ÖVP-Chef Taus der Regierung vorgeworfen hat. Er hätte das Kind ruhig beim Namen nennen können. Der wirtschaftspolitische Wahnsinn hat nämlich eine gesellschaftspolitische Methode: Hochkonjunktur oder Wirtschaftskrise -beides wird zum Anlaß für Initiativen zur Systemveränderung genommen, welche dann mit dem falschen Etikett wirtschaftlicher Sanierungsmaßnahmen versehen werden. Die von den Konsumgüter produzierenden Firmen geforderte Etikettenwahrheit verlangt die Bundesregierung nicht von sich selber.

Mit derartigen Etiketten läßt sich überhaupt gut manipulieren. Beispielsweise fordert die Opposition von der Regierung langfristige Konzepte. Bitte sehr, die Regierung offeriert sie: Da legt sie ein langfristiges Wirtschaftsprogramm und ein langfristiges Investitionsprogramm vor. Daß das letztere lediglich eine Hochrechnung der normalen jährlichen Investitionsquote unter Einkalkulierung einer gewissen Inflationsrate ist, stört sowieso nur die professionellen Kritiker von der Opposition. Dem wirtschaftlichen Laien sind derartige Argumente ein spanisches Dorf. Die Materie ist so diffizil, daß sich die Regierung auf den Propagandaeffekt der imposanten Zahlen verlassen kann.

Aber ein langfristiges Konzept fehlt - und ausgerechnet dasjenige, welches die Voraussetzung für alle anderen ist: Das langfristige Budgetkonzept, wie es von der Opposition immer wieder moniert worden ist. Denn solange nicht langfristig feststeht, woher die Mittel für die übrigen Programme der Bundesregierung genommen werden sollen, sind diese nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt werden, sind diese genau solche Hausnummern wie die Vorankündigung der In-flations- und Arbeitslosenrate in diesem Jahr durch den Finanzminister und wie die Zahlen in seinen Budgetentwürfen.

Nicht mit bombastischen Absichtserklärungen kann man unsere bereits ziemlich marode Volkswirtschaft kurieren, sondern nur mit Maßnahmen, welche die bestehenden Mängel reparieren. Statt zukünftige Infla-tions- und Arbeitslosenraten wahrzusagen und sich dabei - wie gehabt - zu irren, sollten lieber wirksame Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung und zu einer Beschäftigungspolitik möglichst ohne inflationäre Nebeneffekte durchgeführt werden, und zwar zu einer Beschäftigungspolitik, welche nicht nur mit Hilfe zusätzlicher Staatsausgaben die Arbeitslosigkeit kaschiert, sondern eine echte Strukturverbesserung auf dem Arbeitsmarkt herbeiführt. Aber vage, unverbindliche Ankündigungen unter Pauken- und Trompetenschall sind nun einmal bequemer und gleichzeitig -anscheinend noch immer - effektvoller als konkrete Maßnahmen.

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