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Anfang des Christseins

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Taufe ist Aufnahme in die Gemeinde des Herrn. Unter welchen Voraussetzungen? Genügen hier soziologische und pastoralstrategische Überlegungen? Tut nicht Besinnung auf das urchristliche Taufverständnis not?

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Taufe ist Aufnahme in die Gemeinde des Herrn. Unter welchen Voraussetzungen? Genügen hier soziologische und pastoralstrategische Überlegungen? Tut nicht Besinnung auf das urchristliche Taufverständnis not?

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Es ist eine unbestrittene Tatsache, daß die Urkirche von Anfang an die Taufe als den Zugang zum Christsein angesehen hat. Nicht nur die relativ spät abgefaßte Apostelgeschichte, sondern auch Paulus bezeugt dies eindeutig in seinen Briefen. Nicht nur für die von ihm gegründete Gemeinde von Korinth gilt die Taufe als Eingliederung in den Leib Christi (1 Korinther 12,13); auch für die

nicht von Aposteln gegründete Gemeinde von Rom eröffnet die Taufe die Verbindung mit Christus und seinem Tod (Römer 6,3).

Klar wird die Taufe der Christen von der Johannestaufe unterschieden. Die Taufe durch den „Täufer“ war ein einmaliger Vorgang der Umkehr und Buße, um dem kommenden Zorngericht Gottes zu entgehen (vgl. Matthäus 3,7-9). Die Taufe der Kir^ che schenkt den Heiligen Geist (Markus 1,8), sie unterstellt den Täufling nun Christus, dem Herrn, sie gliedert ein in die Gemeinschaft derer, die den Herrn anrufen. Der „Taufauftrag“ des Auferstandenen faßt all diese Dimensionen des Taufgeschehens zusammen: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ (Mt 28,29f.).

Wir wissen wenig über das Ritual der Taufe bei den Christen der ersten Generationen. Ein wesentliches Element war aber in dem Umstand gegeben, daß die Taufe gespendet wurde; sie war nie ein selbstvollzogenes Bad oder eine Waschung. Auch spielte die Person des Täufers — anders als bei der Taufe des Johannes -keine ausschlaggebende Rolle, denn — wie Augustinus dies einmal klassisch formulierte —, mag Petrus oder Paulus oder Judas taufen, Christus ist es, der tauft. Taufe ist daher seine Gabe, sein Geschenk, nicht etwas vom Täufling Hervorgebrachtes.

Der Taufkandidat ist angesprochen und aufgerufen zur Antwort, zur Annahme der Gabe. Dies kommt zum Ausdruck, indem der Täufling seinen Glauben bekennt: „Wenn du mit deinem Mund bekennst und mit deinem Herzen glaubst, daß Gott ihn von den Toten auf erweckt hat, wirst du gerettet werden“ (Rom 10,9).

Auch der nicht in allen Textzeugnissen tradierte Vers Apg 8,37 verweist auf die alte Uberlieferung des Glaubensbekenntnisses bei der Taufe. Der Taufunterricht, der uns vor allem als Back-ground der Briefliteratur des Neuen Testaments immer wieder begegnet, ist Hinführung auf die Taufe sowie Einweisung in das Leben als Getaufter.

Taufe ist Anfang des Christseins: Anfang, den Christus setzt, Eintreten in die Gemeinschaft derer, die mit Christus verbunden sind. Dieser Anfang soll aber bejaht, die Gabe Gottes soll im Glauben beantwortet werden.

Schon aus dieser grundlegenden Überlegung wird deutlich, daß nicht einzusehen ist, warum nicht auch unmündigen Kindern dieses Tun Gottes zuteil werden kann, wenn sie in der Gemeinschaft derer, die zu Christus gehören, auf dieses Ja des Glaubens zuzugehen vermögen.

Taufe ist Eröffnung der Lebensgemeinschaft mit Christus.

Dies bringen die alten Wendungen zum Ausdruck, daß der Kate-chumene getauft wird ,4m Namen Jesu Christi“ (Apg 2,38; 10,48) bzw. „auf den Namen Jesu“ (Apg 8,16; 1 Kor 1,13.15). Der Getaufte wird Jesus, dem Auferstandenen, dem Herrn übereignet, ihm unterstellt.

Christus, das Heilsereignis, wird damit für den Getauften in der Gemeinschaft der Kirche wirksam: sein Tod und die Kraft seiner Auferstehung. Was der Herr „ein für allemal“ (Rom 6,10) getan hat, wird nun für den Getauften Wirklichkeit. In diesem Sinn sprechen die paulinischen Briefe von einem Mitsterben und Mitbegrabenwerden des Täuflings mit Christus (vgl. z. B. Rom 6,8); der Kolosserbrief und der Epheserbrief sprechen sogar von einem Mitauf erwecktwerden mit Christus in der Taufe.

Taufe ist Beginn einer Lebensgemeinschaft mit Christus, Wirksamwerden des Heils und der Er-

lösung, die er uns schenkt. Taufe ist Beginn eines Weges. Es ist nicht einzusehen, daß dies nicht auch einem unmündigen Kind zuteil werden sollte, wenn es zugleich auf diesem Weg begleitet wird.

Der auferstandene und erhöhte Herr ist uns im Heiligen Geist gegenwärtig. Durch Christus im Heiligen Geist haben wir Zugang zum Vater (vgl. Epheser 2,18). „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Rom 5,5) So wird die Taufe aus Geist und Wasser als Geburt von oben gesehen (vgl. Johannes 3,3.5), als „Wiedergeburt und Erneuerung“ (vgl. Titus 3,5).

Der Getaufte darf so in ein neues Verhältnis zu Gott eintreten: Im Geist dürfen wir — wie Jesus — Abba, Vater, sagen (Rom 8,15; vgl. Gal 4,6). Der Heilige Geist schenkt als die wichtigste Gabe die Liebe zum Nächsten (vgl. 1 Kor 12,31 - 13,13; Gal 5,22). Die endgültige Gottesgemeinschaft ist im Heiligen Geist schon anfanghaft gegeben (vgl. 2 Kor 1,22; 5,5).

Taufe ist Beginn der Teilnahme am Leben Gottes durch den Heiligen Geist, Anfang eines Weges. Der Getaufte soll im Ja des Glaubens diesen Weg bewußt gehen. Es ist nicht einzusehen, daß nicht auch ein unmündiges Kind auf diesen Weg geführt werden kann, damit es in einer Gemeinschaft vom Heiligen Geist Ergriffener selbst sich immer mehr vom Geist ergreifen lasse.

Taufe ist Vergebung der Sünden. Vor allem in der Apostelgeschichte wird die Sündenvergebung als die vornehmliche Wirkung der Taufe bezeichnet. Taufe als Lebensgemeinschaft mit Christus setzt das Ende der Herrschaft der Sünde voraus; Ergriffenwerden durch den Heiligen Geist bedingt die Abkehr von anderen Orientierungen; Glaube als Ja zum Leben in Christus, das uns in der Taufe eröffnet wurde, ist untrennbar von der Umkehr.

Es geht aber im Tauf geschehen nicht nur um die Sünde des einzelnen, sondern auch um jene Wirklichkeit, die wir mit dem mißverständlichen Terminus „Erbsünde“ bezeichnen, um jene Sündigkeit, in der sich die Menschheit befindet, in die sie verflochten ist. Taufe bedeutet Eingliederung in die neue Menschheit, deren Haupt Christus ist. Damit ist der Täufling zugleich herausgerissen aus seiner Verfangenheit und Verflochtenheit in die sündige Menschheit. Taufe ist Anfang, Beginn und Eröffnung des Lebens mit Christus im Heiligen Geist, auch Beginn eines Lebens der Distanzierung von der Sünde, die uns Gott vergeben hat. Wie das Ja zu Gott durchgehalten werden soll auf dem Weg, den wir gehen, so bedarf auch das Nein zur Sünde, das uns Gottes Verzeihung ermöglicht hat, einer stets neuen Bemühung.

Taufe ist Eingliederung in die Gemeinschaft des Leibes Christi.

Man müßte diesen Aspekt des Taufgeschehens an den Anfang setzen; er war aber bei all dem bisher Gesagten schon immer mit dabei. Christwerden und Christsein gibt es nicht als vereinzeltes und isoliertes Ereignis, sondern nur in der Gemeinschaft mit allen, „die in Christus sind“. In der Kirche erfährt der Getaufte die Gemeinschaft mit Christus; der Geist, der die Kirche bewegt, ergreift den einzelnen in seiner Taufe; Vergebung der Sünden erfolgt in der Gemeinschaft der „Heiligen“, wie Paulus die Gemeinden häufig nennt.

Taufe als Sakrament der Eingliederung und Aufnahme in die Kirche sollte als Konsequenz das Engagement des Getauften in dieser Gemeinde haben, anderseits ist mit der Taufe auch der Gemeinschaft der Kirche die Verpflichtung auferlegt, dieses Mitglied nicht aus dem Auge zu verlieren, sondern es zu begleiten auf dem gemeinsamen und doch je individuellen Weg zu Christus.

Es ist nicht einzusehen, warum nicht unmündige Kinder in diese Gemeinschaft der Glaubenden aufgenommen werden sollten, um in dieser Gemeinschaft selbst

reife Glaubende zu werden. Voraussetzung ist die Bereitschaft der Gemeinde zu einer effektiven Begleitung dieser „Glaubenden im Werden“.

Sacramentum fidei, Sakrament des Glaubens, wird die Taufe schon von den Kirchenvätern genannt: Im Taufgeschehen wird der Glaube an den dreifaltigen Gott als unser Heil bekannt; die Gabe der Taufe wird im Glauben angenommen und bejaht. In diesem Zueinander von Glaube und

Taufe verdichtet sich aber auch die Frage nach dem Sinn und der Berechtigung der Kindertaufe. Darf man jemanden taufen, der die Antwort des Glaubens (noch) nicht vollziehen kann?

Als Bedingung für die Zulassung von Kleinkindern wurde immer genannt, daß Aussicht bestehen müsse, daß jener, der als Unmündiger in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen wird, in dieser Gemeinschaft der Glaubenden selbst ein Glaubender werden kann. Dieses Anliegen kommt in der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erneuerten Feier der Kindertaufe zum Tragen, wenn die Eltern als die für das Kind in erster Linie Verantwortlichen ausdrücklich miteinbezogen werden, wenn schon zuvor in einem Taufgespräch den Eltern (und Paten) ihre Verantwortung für den Glauben des zu taufenden Kindes bewußtgemacht wurde. Die Antwort des Glaubens gehört wesentlich zur Taufe; wer sie im Augenblick der Taufe noch nicht zu geben vermag, soll sie zu einem späteren Zeitpunkt zu geben vermögen.

Uber all dem darf aber ein Gesichtspunkt nicht übersehen werden: Für alle Getauften ist Glaube als Antwort in seiner Vollgestalt noch vor uns, nie abgeschlossen und verfügbar. Jeder Getaufte ist auf dem Weg des Glaubens: der als Kind Getaufte unterwegs zur Antwort, der als Erwachsener Getaufte unterwegs in die Antwort tiefer hinein. Und schließlich: .Jede Taufe gründet in und bezeugt Christi Treue bis zum Tod. Sie hat ihren Sitz im Leben und Glauben der Kirche und weist hin, durch das Zeugnis der ganzen Kirche, auf die Treue Gottes als dem Grund allen Lebens im Glauben.“ („Lima-Dokument“ Taufe Nr. 12)

Der Autor ist Professor für Dogmatische Theologie an der Universität Wien.

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