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Angola Nummer Zwei?

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Wanrena die verscmeaenen Parteisekretäre und Fraktionen des Parlaments mit der Ausstellung eines Katalogs beginnen wollten, in dem die Regierung ihre politische Linie festlegen pr.ollte.ltam es in Afrika zu einer Explosion. .Die Fünfte Republik mußte neuerlich eingreifen, um eine Katastrophe im prowestlichen Staat Zaire - dem ehemaligen belgischen Kongo - zu verhindern. Staatschef Giscard d'Esta-ing und sein Beraterstab beschäftigten sich sofort nach dem Eintreffen alarmierender Nachrichten mit dem Schicksal der hunderten weißen Techniker und sonstigen Fachleute, die in der reichsten Provinz von Zaire im Dienste gemischter Minengesellschaften standen.

Schon vor einem Jahr griff Frankreich - allerdings indirekt - in einen solchen lokalen afrikanischen Konflikt ein, als mit französischen Spezialflugzeugen marokkanische Truppen in die bedrohten Gebiete des einstigen Katangas geschafft wurden. Aber damals dachte die französische Staatsführung nicht einmal daran, Truppen gegen die undefinierbaren Rebellen direkt zum Einsatz zu bringen.

Bis zum heutigen Tag ist es in Paris immer noch nicht klar, wer die wirklichen Hintermänner dieser marodierenden Soldateska sind. Die häufigst verbreitete Version in dieser Hinsicht ist, daß kubanische Einheiten die Rebellen unterstützen würden. Aber bisher ist es nicht ein einziges Mal gelungen, einen Kubaner in diesem Krisengebiet gefangen zu nehmen. Eine andere Version lautet, daß Fachleute aus der DDR in Angola diese Kommandos eingeschult hätten und sie die eigentlichen Drahtzieher des Uberfalles gewesen seien. Aber auch dabei handelt es sich nur um Vermutungen, die bisher durch nichts bestätigt wurden.

Soviel scheint sicher: Der Plan zu diesem Uberfall ist nicht allein von einigen ehemaligen Anhängern des Regimes Tschombe ausgeheckt worden. Aus verschiedenen Aussagen von Flüchtlingen geht hervor, daß die Anfangserfolge der Rebellen nicht von ungefähr kamen, sondern daß die Angreifer recht gut vorbereitet worden waren. Allerdings lockerte sich die Disziplin der Eindringlinge sehr schnell: Nach glaubwürdigen Aussagen unzähliger Flüchtlinge kam es zu Schreckensszenen, ausgelöst von den Rebellen, die durch den Genuß von Drogen und Alkohol in einen Rauschzustand geraten waren. Unzählige Europäer - darunter Frauen und Kin-

der - wurden niedergemetzelt. Wer die Bilder dieser Gewalttaten im Fernsehen sah, wird von tiefer Scham erfüllt sein, daß im ausgehenden Jahrhundert in gewissen Teilen unseres Planeten Menschenleben scheinbar überhaupt nichts zählen. Nur der Einsatz einer Elitetruppe, wie es das zweite Fallschirmjägerregiment der Fremdenlegion darstellt, vermochte eine große Anzahl von Europäern buchstäblich im letzten Augenblick vor der grausamen Ermordnung zu retten.

Die politischen Aspekte der Vorfalle in der Provinz Shaba sind ebenso wichtig wie die militärischen, also die Vertreibung der Rebellen aus der Stadt Kolwezi, die noch vor zwei Wochen hunderttausend Einwohner zählte. Sobald klar war, daß Verhandlungen - wie es zum Beispiel der Chef der sozialistischen Opposition Mitterrand vorschlug - sich als nicht-durchführbar erwiesen, mußte zu anderen Mitteln gegriffen werden. Und offensicht-

lich verstanden die Eindringlinge die Sprache der Waffen besser, als einen Diplomaten in Frack und Zylinder, der die Rebellen lediglich auffordern hätte können, die Waffen niederzulegen und sich schön brav wieder in die Stützpunkte außerhalb Zaires zurückzuziehen.

In der zweiten Phase der Entwicklung kam es zu intensiven Beratungen, nachdem der Staatschef von Zaire, Mobutu, Frankreich, die Vereinigten Staaten, ja sogar China und weniger Belgien gedrängt hatte, sein Regime durch direkten Einsatz von Truppen zu retten. Giscard d'Estaing ist sich durchaus im klaren, daß das Regime Mobutu auf schwachen Füßen steht. Alle Experten, die sich mit den politischen und wirtschaftlichen Ereignissen auf dem schwarzen Kontinent befassen, sind sich zudem darüber einig, daß Mobutu und seine Leute nicht gerade wählerisch sind, wenn es darum

geht, mit europäischen oder amerikanischen Firmen wirtschaftliche Kontakte aufzunehmen. Trotzdem ist Zaire nicht unbedingt einem streng autokratischen System unterworfen, ein gewisser Freiheitsraum existiert - allerdings nicht für alle Bürger des Landes -, den soviele andere afrikanische Staaten radikal abgeschafft haben. Aber nicht nur die Person Mobutu spielt bei diesem Pokerspiel um die Zukunft des schwarzen Afrika eine Schlüsselrolle - hier stoßen weltpolitische Gegensätze aufeinander, die auf einen Nenner gebracht vollkommen klar erscheinen: Es geht darum, ob die östliche Supermacht in der Lage ist, eine Entwicklung - wie sie in Angola stattfindet - auch dem an Bodenschätzen so reichen Zaire aufzwingen kann.

Obwohl Frankreich militärisch und wirtschaftlich gesehen nur mehr eine mittlere Macht ist, schloß Paris mit einer Reihe von afrikanischen Staaten Bündnisverträge und wirtschaftliche Ubereinkommen ab und zeigte sich auch bereit, die Sicherheit der jeweiligen Staaten aktiv zu unterstützen. Unter diesem Gesichtspunkt kam es ja auch zur Entsendung kleiner Truppenkontingente in den von einer Rebellion bedrohten Staat Tschad. So kann festgehalten werden - wenn dies auch auf gewisse Skepsis stoßen mag -, daß es nicht allein das Ziel der französischen Intervention war, Kontrolle in dieser Region auszuüben, die Paris dazu veranlaßt hatte, wiederum direkt in diesen Krisenherd einzugreifen. Für etwa 200 Menschen kam jedoch der Einsatz zu spät.

Frankreichs öffentliche Meinung hat im weitgehendsten Ausmaß die Aktion des Staatschefs begrüßt und selbst Marchais, Generalsekretär der kommunistischen Partei Frankreichs, der zur selben Zeit eine Visite in Mexiko gemacht hatte, wagte es nach seiner Rückkehr nicht, das Vorgehen Giscard d'Estaings sofort zu kritisieren. Die Kritik wird aber ziemlich sicher noch kommen und der Staatspräsident angeklagt werden, daß er Frankreich neuerlich in einen Kolonialkrieg gehetzt habe, wie dies bei einem seiner Vorgänger in Indochina oder Algerien der Fall war.

In diesem Punkt sehen auch nüchterne Beobachter der politischen Szenerie Frankreichs eine Gefahr für Paris, das um vieles schneller als Belgien reagierte, dessen Regierung zu lange gezögert hatte. Die schließlich doch noch eingeflogenen belgischen Truppen beteiligten sich auch nicht am Kampf, der von der Fremdenlegion in der Stadt Kolwezi geführt wurde.

Nach diesen dramatischen Vorfällen wird Paris gezwungen sein, eine umfassende Revision seiner Afrika-Politik vorzunehmen. Paris wird auch die übrigen Staaten der Europäischen Gemeinschaft einladen müssen, sich zumindest wirtschaftlich vielmehr um diesen Kontinent zu kümmern, der in den nächsten Jahren eine absolute Schlüsselstellung in der Weltpolitik wie in der Weltwirtschaft einnehmen wird.

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