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Angst an den Gegenküsten

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Der Hilferuf des gestürzten zyprischen Staatspräsidenten Erzbischof Makarios, den dieser über einen Geheimsender auf der Mittelmeerinsel an die Großmächte und die „befreundeten Länder“ richtete, brachte die arabischen Regierungen in große Verlegenheit. Der Ethnarch genießt in der ganzen arabischen Welt Ansehen als einer der regionalen Bannerträger der hier seit dem „Ramadan-Krieg“ im vorigen Oktober wieder höher im Kurs stehenden Neutralitätspolitik zwischen Ost und West. Von dem verstorbenen Nil-Diktator Gamal Abdel Nasser und anderen arabischen Staatsmännern wurde er, obwohl er gleichermaßen gute Beziehungen auch zu Israel unterhielt, als vertrauenswürdiger Freund betrachtet und in weltpolitischen Fragen des öfteren zu Rate gezogen.

In den arabischen Hauptstädten wurde kategorisch erklärt, daß ein direktes arabisches Eingreifen zugunsten einer Seite keinesfalls in Frage komme. Regierungssprecher in Kairo, Damaskus und Beirut verhehlten jedoch nicht ihr Mißvergnügen über die Vorgänge auf der Insel-republik im östlichen Mittelmeer nach dem Sturz des Ethnarchen. Auf arabischer Seite legt man allergrößten Wert auf die Feststellung, daß man sowohl für die Bewahrung der zyprischen Unabhängigkeit eintrete als auch auf freundschaftliche Beziehungen mit Griechenland und der Türkei Wert lege. Athen konnte sich seit der durch griechische Offiziere ausgelösten Revolution als Freund der Araber glaubhaft machen, ohne seine guten Beziehungen zu Jerusalem aufs Spiel zu setzen. Die Türkei, die ohnehin nur halbdiplomatische .Beziehungen zu Israel unterhält, bemühte sich schon vor dem Amtsantritt der linksgerichteten Koalitionsregierung des Ministerpräsidenten Bülent Ecevit um eine Annäherung an ihr arabisches Hinterland. Die Araber können daher nur hoffen, daß der direkte Konflikt zwischen den beiden Nachbarländern und NATO-Partnern um Zypern beigelegt wird. In Pressekommentaren weist man allerdings auch auf arabischer Seite darauf hin, daß der Putsch gegen Makarios offenkundig von griechenlandfreundlichen Kräften und Anhängern einer totalen „Enosis“, also einer Vereinigung der Inselrepublik mit dem griechischen Mutterland, ausgelöst oder sogar von den Athener Obristen inszeniert wurde. Für die Obristen sei, wie man folgert, die jüngste Zypernkrise ein Manöver zur Ablenkung von ihren innerpolitischen Schwierigkeiten.

Größer als die Gefahr aus einem bewaffneten Konflikt zwischen Athen und Ankara bewertet man in den arabischen Hauptstädten die Bedrohung einer direkten Verwicklung der Supermächte in die Auseinandersetzung auf Zypern. Die USA brauchten die Militärbasen in Griechenland und könnten daher auf keinen Fall direkt gegen die griechischen Interessen Partei ergreifen. Zwischen der Türkei und Washington bestünden jedoch nicht erst seit der Wiederzulassung des Mohnanbaues schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten. Ankara bemühe sich seit längerem um eine allmähliche Lösung von der NATO und eine vorsichtige Anlehnung an die Sowjetunion. Moskau unterstütze daher vorbehaltlos die türkische Position in der Zypernfrage. Nachdem der Versuch der arabischen Staaten, sich von dem übermächtigen sowjetischen Einfluß zu lösen und zu einer echten Neutralitätspolitik zwischen Ost und West zurückzukehren, hektische diplomatische Pressionsversuche Moskaus in Kairo und Damaskus ausgelöst habe, müsse befürchtet werden, daß die Zypernkrise dem Kreml als der seit langem gesuchte Hebel diene, das arabische Unabhängigkeitsstreben wieder in den Griff zu bekommen.

Auf arabischer Seite gibt man das Ringen um Zypern allerdings noch nicht verloren. Die Mehrzahl der Zyperngriechen müsse doch längst erkannt haben, so hofft man hier, daß die nationale Unabhängigkeit Die Araber würden daher auf jeden Lösung in Nikosia muß mit einer für sie wesentlich besser sei als der Fall ein griechisch-türkisches Kon- Isolierung durch die Staaten an den Anschluß an die Athener Diktatur, dominium begrüßen. Jede andere arabischen Gegenküsten rechnen.

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