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Angst des Wissenschaftlers vor der Öffentlichkeit

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Jst es wirklich so schwer, der Wissenschaft jene Öffentlichkeit zu verschaffen, die auch sie als eines der wichtigsten Elemente der (demokratischen) Gesellschaft braucht? Und der Öffentlichkeit jenen Einblick in die scheinbaren Geheimnisse der Wissenschaft, denen der Laie offenbar immer noch hilflos gegenübersteht, obwohl das Angebot an Berichten aus wissenschaftlichen Bereichen in den Massenmedien noch nie so dicht war wie heute? Der Zürcher Philosoph Hermann Lübbe war sogar der Meinung, daß auch die Wissenschaftspublizistik noch nie so gut und leistungsfähig gewesen sei wie heute...

Lübbe äußerte diese Meinung kürzlich in einem Seminar, das etwa 40 Universitätskanzler und -direktoren im Rahmen eines OECD-Fortbildungsseminars im Wissenschaftszentrum in Bad Godesberg versammelte, um ihnen ihren Part im Umgang mit der öffent Grundsätze in den vergangenen 13 Jahren weitgehend durchgesetzt, seit der „Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung“ 1965 begann, überhaupt erst eine Wissenschaftsberichterstattung in den österreichischen Druckmedien auf breiterer Basis einzuführen -der Rundfunk war schon vorher beispielgebend aktiv geworden - und die allgemeinverständlich aufgearbeiteten Materialien aus Österreichs Forschung über alle Medien zu streuen. In dieser Zeit hat sich ebenso die Einstellung der Medien gegenüber der Wissenschaft und ihren Vertretern wie die Haltung der Wissenschaftler selbst der Öffentlichkeit gegenüber grundlegend geändert. Auch die starke Publizität, die die Hochschulreform vor allem in ihrer Diskussionsphase erlebte, wäre ohne den „ibf kaum vorstellbar gewesen.

In der Bundesrepublik ist die Entwicklung anders gelaufen, wie lichkeit und damit mit den Medien und ihren Vertretern verständlich zu machen. Das Ergebnis sei vorweggenommen: die Verständnisbarrieren waren hoch; die Bereitschaft, auf die Argumente des andern einzugehen, gering.

Da kam von den Sprechern der Universitäten noch die Vorstellung, daß Wissenschaftlichkeit und ,ßür-gernähe“ miteinander nicht vereinbar seien, daß gerade die Autonomie der Hochschule - die in der Bundesrepublik Deutschland wesentlich weiter geht, als in Österreich - ein „gewisses Informationsdefizit“ verlange. Die Öffentlichkeit sollte ein gewisses Maß an Vertrauen aufbringen, daß die Dinge richtig liefen, auch ohne daß sie dauernd informiert werde.

Auf der andern Seite stand die Forderung, die Wissenschaftler müßten sich der Sprache der Medien bedienen, sich deren Produktionsverhältnissen anpassen,für die Wissenschaft werben.

Wissenschaft und Journalistik stehen auf verschiedenen Ebenen -aber im selben Boot. Der Bürger hat ein Anrecht zu erfahren, was an den Hochschulen gearbeitet wird. Der Wissenschaftler hat die moralische Verpflichtung, diese Auskunft zu geben, will er - mit Recht - immer größere Mittel zur Verfügung haben. Aber der Wissenschaftler ist darauf ausgerichtet, in seinen Publikationen dem Fachkollegen zu berichten, worüber er geforscht hat-nur wenige haben die Fähigkeit, sich auch „auf anderm Niveau“ auszudrücken, sich auch unter Verzicht auf Formeln und Fachausdrücke dem Nichtfachmann verständlich zu machen. Hier muß der Journalist, in seiner speziellen Version des Wissenschaftsjournalisten, als Dolmetscher einspringen. Er tut gut daran - im eigenen Interesse wie in dem der Wissenschaft - den Informanten in die Verantwortung über die Formulierung mit einzube-ziehen.

In Österreich haben sich diese immer härter, mit weniger Konsensbereitschaft. Schon 1970 wunderten sich die deutschen Kollegen . bei einem ersten vom „ibf veranstalteten Seminar über die hierzulande erreichten Ergebnisse. Dies galt nicht zuletzt fiir die bessere Transparenz der wissenschaftspolitischen Entscheidungsgremien wie

- damals - der Hochschulreformkommission sowie der Rektorenkonferenz. Nun forderten die im Seminar anwesenden Politiker auch für Deutschland eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit der wissenschaftspolitischen Gremien. „Wenn die Verteilungskämpfe um öffentliche Mittel härter werden, werden auch die Hochschulen mehr um Verständnis und Partnerschaft in der Öffentlichkeit werben müssen“, meinte ein Sprecher der Freiheitlichen. Und: Wenn man zur Bewahrung der Autonomie „wohlwollendes Desinteresse“ von Öffentlichkeit und Politik verlange, werde die Finanzierung dieser Autonomie rasch zurückgehen.

Die Probleme, die die Umsetzung wissenschaftlicher Aussagen in die Sprache der Öffentlichkeit mit sich bringen, werden von niemandem verkannt. Die unerläßliche Vereinfachung birgt ihre Gefahren ebenso wie die Notwendigkeit, auf die inneren Gesetze der Medien in ihrem Wettbewerb Rücksicht zu nehmen (ohne daß sich deswegen der Wissenschaftler ihnen restlos ausliefern müßte).

Der Beobachter beider Szenen aber dachte mit Wehmut an die Erlebnisse in Israel zurück, wo-unter dem Zwang, die Spender in aller Welt über die Verwendung ihrer Gelder an den fast ausschließlich damit finanzierten Universitäten und Forschungseinrichtungen auf dem Laufenden zu halten - jeder Wissenschaftler jedem Interessenten

- und vor allem jedem interessierten Journalisten - auf jede einschlägige Frage allgemeinverständlich zu antworten imstande war.

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