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Angst vor Oko-Steuern?

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Die einen überschlagen sich förmlich bei dem Versuch, sich ein ökologisches Mäntelcnen umzuhängen. Die anderen - teilweise derselben Partei zugehörig - haben wiederum alle Hände voll zu tun, uns zu erklären, warum gewisse ökologische Vorschläge „eigentlich doch nicht“ umgesetzt werden können.

Jüngst war dies wieder zu beobachten. Nämlich bei der Frage einer Energiebesteuerung, wo sich eine wundersame Ablehnungskoalition zwischen Finanzminister Ferdinand Lacina und der Industriellenvereinigung gebildet hat.

Die Idee hinter einer solchen Energiebesteuerung von Unternehmen und Haushalten ist einfach: Es soll unter anderem ein sparsamerer Verbrauch und damit auch eine Reduktion der Umweltbelastungen entstehen. (Details und Bewertung einer solchen Steuer siehe FURCHE 36 und 37/1989).

Doch davon will offensichtlich niemand etwas hören. Im Finanzministerium wird hauptsächlich auf rein fiskalischer Ebene argumen-. tiert. Man fürchtet letzten Endes -wenn die Energieabgabe durch Entlastungen bei anderen Steuern ausgeglichen wird - einen Ausfall bei den Einnahmen.

Diese Einschätzung greift zu kurz. Denn daß Steuern nicht nur der fiskalischen Einnahmengestaltung dienen, sondern auch wirtschaftliches Verhalten und wirtschaftliche Prozesse steuern und lenken sollen, ist uraltes Besteuerungsprinzip.

Die Befürchtungen der Industrie wiederum gehen dahin, daß eine zusätzliche Abgabe die Wettbewerbsfähigkeit im Falle eines Alleingangs verschlechtern würde.

Das mag sein. Doch soll eine Energieabgabe ihren Befürwortern zufolge ja nicht als isolierte Maßnahme gesehen werden, sondern als Teil eines umfassenderen Gesamtkonzepts. Nämlich einer „Ökosozialen Steuerreform“, die wiederum einer der wesentlichsten Bausteine einer „Ökosozialen Marktwirtschaft“ sein müßte. Wie könnte diese konkret aussehen? Grundlegendes Prinzip wäre, daß Struktur und Ausmaß der Besteuerung diverser Einkommens- und Vef-brauchskategorien anders gestaltet werden, als in der derzeit ziemlich pervertierten Verfahrensweise. Heute wird der Arbeitseinsatz kräftig besteuert, die Umweltbelastung hingegen ist fast kostenlos.

Zu einer mehr ökologischen Vorgangsweise gibt es in der wirtschaftspolitischen Diskussion bereits Modelle. Das anspruchsvollste und interessanteste zielt darauf ab, die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Probleme der Arbeitslosigkeit, der Umweltbelastung und der Finanzknappheit im Bereich der sozialen Sicherheit mit

Hilfe einer ökologischen Steuerpolitik in einem Zuge zu lösen. Grundgedanke dieser Reformstrategie ist, die Kosten der Arbeit zu senken. Gleichzeitig wird die Nutzung von natürlichen Ressourcen - insbesondere Energie - verteuert, um dadurch die mit dem Energieeinsatz verbundenen Emissionen zu verringern. Im Zuge der Kostenverlagerung soll auch dem Problem der leeren Kassen der Sozialversicherung abgeholfen werden. Indem beispielsweise die Finanzierung der Pensionsversicherung von ihrer lohnbezogenen Basis - diese schwankt bekanntlich mit der Zahl der Beschäftigten und deren Einkommensentwicklung und reagiert damit höchst anfällig auf Arbeitslosigkeit - abgekoppelt wird.

Folgender Reformvorschlag ist in Diskussion: Die Beiträge der Arbeitnehmer und -geber zur Sozialversicherung sollen um einen bestimmten Betrag gekürzt werden. Dies verringert zum einen die Lohnnebenkosten für die Arbeitgeber, zum anderen erhöht sich das verfügbare E inkommen der Arbeitnehmer. Damit wird Arbeit für die Unternehmen billiger, ohne daß

gleichzeitig - wie im Falle von Lohnsenkungen - die gesamtwirtschaftliche Nachfrage verringert wird. Die Unternehmen können mehr Mitarbeiter beschäftigen, wodurch die Einnahmen der Sozialversicherungsträgersteigen und die Ausgaben für Arbeitslosenversicherung fallen.

Gleichzeitig wird eine Steuer auf Energie eingehoben. Damit wird diese teurer, Verbrauch und Emissionen sinken, es kommt von Unternehmensseite zur Nachfrage nach umweit- statt arbeitssparenden Maschinen und Produktionstechnologien und damit zur Ausweitung der Beschäftigung.

Wenn auf betrieblicher Ebene auch nicht ohne weiteres vorstellbar ist, daß Energieeinsatz durch Arbeitskraft einfach ersetzt wird, so ist auf einer globalen und gesamtwirtschaftlichen Ebene doch klar, daß Güter, die arbeitsintensiv hergestellt werden, wegen der Senkung der Lohnnebenkosten für den Verbraucher billiger werden. Solche, die umweltintensiv erzeugt werden, verteuern sich durch die Energiesteuer. Die Verbraucher sollten nun angesichts dieser Entwicklung ihren Warenkorb, das heißt ihre Gesamtnachfrage nach Gütern und Leistungen, so umstrukturieren, daß sich darin verstärkt arbeitsintensive und umweltfreundliche Produkte wiederfinden. Dies kann durchaus - wenn auch sicher nicht in unbeschränktem Maß und erst nach einer gewissen Anpassungszeit - zur Veränderung der volkswirtschaftlichen Produktionsstruktur und den im Reformmodell angenommenen Wirkungen auf Arbeitsmarkt und Umwelt führen.

Sicherlich sind noch Untersuchungen über Effekte und Wirksamkeit dieser Maßnahmenbündel erforderlich. Wesentlich wäre aber im derzeitigen Stadium der Einstieg in eine sinnvolle Diskussion.

Obige Vorschläge stammen im wesentlichen aus der Bundesrepublik. In Österreich scheint man leider nur zu wissen, was man nicht will...

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