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Angst vor serbischer Propaganda

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Ungarns Regierungschef Jözsef Anfall ist wegen seiner Jugoslawien-Politik unter Beschuß geraten. Nachdem er beim jüngsten USA-Besuch mehrere Male führende Politiker über die Interessen Amerikas belehrt hatte, trug er seinem „Freund" George Bush das Jugoslawien-Konzept der christlich-nationalen Koalition vor.

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Ungarns Regierungschef Jözsef Anfall ist wegen seiner Jugoslawien-Politik unter Beschuß geraten. Nachdem er beim jüngsten USA-Besuch mehrere Male führende Politiker über die Interessen Amerikas belehrt hatte, trug er seinem „Freund" George Bush das Jugoslawien-Konzept der christlich-nationalen Koalition vor.

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Demnach sollten alle Teilrepubliken des südslawischen Staatsgebildes gleichzeitig von der Welt diplomatisch anerkannt werden. Der Chef des Weißen Hauses, der sich in puncto Jugoslawien ohnehin kaum als Kenner bezeichnen kann, fand das„kühn"; doch er bat den Politiker vom Donauufer um Verständnis: im Moment wünsche er noch keine Stellung zu beziehen, doch man möge ihm den ungarischen Vorschlag schriftlich zuleiten. Seitdem wird in der sonst dem Regierungschef gegenüber eher wohlgesonnenen ungarischen Presse etwas zurückhaltender über die Amerika-Mission Antalls gejubelt.

In Wirklichkeit - so politische Beobachter - gibt es in Ungarn keine Jugoslawien-Politik. Während die Regierung unter den Vorzeichen von Angst seit Monaten improvisiert, schweigen die Liberalen und Jungradikalen zu Jugoslawien ebenso wie die Sozialisten. Die Politik der Regierungskoalition, Ungarn müsse sich passiv verhalten, damit die Wojwodi-na-Magyaren nicht gefährdet werden, hat sich als Fehlschlag erwiesen, zumal 80 Prozent der in dieser Region eingezogenen Rekruten der jugoslawischen Volksarmee Ungarn sind.

Unter besonderem Beschuß haben politische Beobachter in Ungarn Außenminister Geza Jeszenszky, Antalls Schwiegersohn, genommen, der sich neulich in aller Öffentlichkeit damit brüstete, daß Ungarn die - übrigens täglich mehrmals vorkommende -Verletzung des Luftraumes durch Kampfmaschinen der jugoslawischen Luftwaffe sehr wohl toleriere. Jeszenszky verschwieg, daß diese Maschinen vom ungarischen Luftraum aus regelmäßig zivile Objekte in Kroatien angreifen und damit Kriegsverbrechen begehen. Ungarns Regierung schweigt dazu. Einen gewissen „Ausgleich" will man aber mit der Aufnahme kroatischer Flüchtlinge schaffen.

Ungarn spielt sehr zurückhaltend im Jugoslawien-Kopflikt. Antall warnte seinerzeit voreinermöglichen Sperre der Adria-Pipeline durch Serbien, was mittlerweile schon erfolgt ist. Er malte den Teufel an die Wand, sagen viele Ungarn, der bereits vor der Tür steht. Ungarn könnte bezichtigt werden, Grenzrevisionen anzustreben, meinte der Ministerpräsident, wenn man sich allzu lautstark für die Magyaren in der Wojwodina einsetze. Von den Medien der großserbischen Kommunisten wird allerdings kein Tag ausgelassen, an dem nicht die eigene Bevölkerung und die staunende Welt über die „heimlichen Aktivitäten Ungarns zur Zersetzung Jugoslawiens" aufgeklärt wird. Man hat den Eindruck, Ungarns Regierung wird umso kleinlauter, je aggressiver die Propagandmaschinerie Serbiens tönt.

Antall und sein Schwiegersohn mußten sich von Finanzexperten Amerikas, des „erstrangigen westlichen Partners Ungarns" Dinge sagen lassen, die ihnen den Atem verschlugen. Wegen der Instabilität in der Nachbarschaft könne von emsthaften Investitionen im Moment keine Rede sein. Anders wäre es, wenn die Regierung Ungarns „mehr Profil" zeigte. Jetzt überlegt diese krampfhaft, was damit gemeint sein könnte.

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