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Auf verlorenem Posten

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Spiro Agnew ist unterwegs in Asien. Was er auf dieser Reise bisher gesagt hat, legt den Schluß nahe, Nixon habe seinen Vize mit der undankbaren Aufgabe auf die Tour geschickt, den amerikanischen Kuchen unablässig aufzuessen und doch fest in der Hand zu behalten. Womit man im Englischen sagen will, daß einer versucht, etwas zu tun, dessen Unmöglichkeit auf der Hand liegt Einmal erklärte Agnew, eine Ab-schwächung der US-Position in Thailand und Südostasien komme nicht in Frage, dann wiederum, die asiatischen Staaten sollten ihr Schicksal ohne Einmischung der

Weltmächte gestalten. Einmal legte er Asiens Zukunft in die Hände „der asiatischen Führer und ihrer Völker“ (!), dann beschwor er wieder die amerikanische Bündnistreue. Die miteinander unvereinbaren Sätze erschienen allerdings durch den langen Gedankenstrich einiger Flugstunden und einiger tausend Kilometer voneinander getrennt. Absage an Einmischung der Weltmächte, Asien den Asiaten — das war für einen alten Herrn namens Tschiang-kaischek bestimmt, mit dem Agnew eine ungemütliche Stunde verbrachte. Tschiangkaischek, der zwar nur über eine kleine Insel herrscht, von den USA aber durch Jahrzehnte wie der unumschränkte Herrscher Chinas behandelt wurde und dank der Weltmacht USA im Sicherheitsrat für die Weltmacht China votiert, mußte sich von dem glatten Griechen sagen lassen, daß er sich vergeblich gegen den Einbruch neuer Realitäten in seine Traumwelt sperrt. Die USA lassen sich von ihm nicht davon abhalten, ein etwas freundlicheres Verhältnis zum „Rest von China“ zu suchen. So heiß wie sie gekocht wurden, werden diese Dinge ohnehin nicht gegessen. Die USA brauchen niemanden, der sie dazu mahnt, Realitäten nicht zu plötzlich zur Kenntnis zu nehmen. Das können sie schon. y . Auch auf der anderen Seite des Globus befindet man sich in einem Übergang zwischen Träumen und Wachen, wenn man in Westdeutschland ein realistischeres Verhältnis zu Ost-deutsshland sucht. Auch dies mit „Maß und Ziel“ nicht gleich mit der brutalen Schärfe politischer Voll-sichtigkeit.

Man denkt an den „Kleinen Prinzen“ von Saint-Exupery, wo ein weiser König vorkommt, dem das gesamte Weltall gehorcht, weil er der Sonne genau in der vorberechneten Sekunde ihres Aufganges das Aufgehen befiehlt und weil sich auch seine Befehle an die Sterne genau im Einklang mit den astronomischen Bahnberechnungen befinden. Ganz so weise sind Präsidenten und Kanzler noch nicht. Aber in den oben angeführten Exempeln befehlen sie der Sonne wenigstens nicht mehr um Mitternacht aufzugehen. Sondern mit ungeahnter Genafttfgtyeit schon dann, wenn sie erst seit einer Stunde (oder zweien) am Himmel steht. In Bangkok freilich hat Spiro Agnew als getreuer Diener seines Herrn neue Traumwelten verteidigt, neu gemessen am ehrwürdigen Alter des Traumes von der Wiedereinsetzung eines Herrn Tschiangkaischek als Herr in ganz China. Tatsächlich ist der Traum, in Vietnam könne die Position Amerikas in Südostasien mit der Waffe in der Hand gehalten werden, erst seine runden fünf Jahre alt

Auch aus diesem Traum wird Amerika erwachen. Den Anstoß dazu werden möglicherweise wiederum die Anstrengungen geben, die nötig sind, neue, heute noch unabsehbare Illusionen aufrechtzuerhalten.

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