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Der nächste Trumpf: Melioidose

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Von Zeit zu Zeit wird die Öffentlichkeit durch Meldungen beglückt, daß die Atombombe und die gute alte V 2 sozusagen harmloses Kriegsgerät einer infantilen Rüstungstechnik gewesen sind, da sie sich zu den kommenden Waffen verhalten wie der Tomahawk zum Maschinengewehr. Radioaktive Nebel und die V 5 seien die vollkommensten Vernichtungselemente des kommenden Krieges, hundertmal wirksamer als der Tod von Hiroshima.

Nun lesen wir, daß diese Mittel des totalen Krieges auch schon wieder als überholt zu gelten haben, daß vielmehr der „absolute” Krieg noch viel besser die Vernichtung der Menschen besorgen werde und schon zu der herrlichen Errungenschaft gelangt ist, sozusagen im Handumdrehen ganze Völker auszurotten. Die Mittel dieser Kriegführung werden, abgesehen von willkürlichen Änderungen der Wetter Verhältnisse, vor allem im Bakterienkrieg erblickt. Die Zürcher „Weltwoche” berichtete kürzlich darüber:

„Von den acht oder zehn tödlichen Infektionskrankheiten ist die .beliebteste’ die Psitta- cose, die Papageienkrankheit, deren Virus sich durch außergewöhnlich hohe Wirkungskraft auszeichnet: ein tausendstel Liter dieses Virus enthält tödliche Dosen f ü r e t w a 20 Millionen Menschen. Unter Laboratoriumsbedingungen haben sich 18 Prozent des verbreiteten Virus als wirksam erwiesen; auch eine Anwendung in freier Luft — wobei vielleicht nur ein Hundertstel der eingesetzten Virusmenge ihr Opfer erreicht — muß verhängnisvoll sein. Cholera, Pest, Schlafkrankheit, alle diese wohlbekannten Plagen der Menschheit gehören mit zum Arsenal des Bakterienkrieges, daneben die Tularämie, eine gefährliche fiebrige Erkrankung, in Amerika unter der Bezeichnung ,Kaninchenfieber’ bekannt; die Brucellose, eine schwere Form des Wechsel,fiebers; der Botulismus, eine Speisen vergiftupg.”

Neben diesen Krankheiten, deren Kriegsverwendbarkeit in den USA-Labors studiert wird, kommt in letzter Zeit als neueste die aus dem Malaiischen Archipel stammende Melioidose in Betracht, die den Bazillus Whitmori zum Erreger hat und 95 Prozent Sterblichkeit hervorruft. Prof. Theodor Rosebury von der Columbia-University hat sie im Camp De t riek ausprobiert und sagt darüber:

„Es handelt sich um eine fast immer tödlich verlaufende Krankheit, über die der größte Teil der Menschheit keinerlei Erfahrungen besitzt; die Melioidose verkörpert daher in nahezu idealer Weise das unbestimmte Angstgefühl, mit dem der Gedanke des Bakterienkrieges in der populären Vorstellung verknüpft ist.”

Da sage noch einer, daß wir dem höchsten Gipfel der Wissenschaft nicht nahe sind. So groß sind die gemachten Fortschritte, daß heute nur mehr ein Fingerschnalzer dazu gehört, um ganze Völker in nahezu „idealer Weise” in das Jenseits zu befördern. Bald wird es ein ganzes Sortiment von Rezepten für Massenmord ä la minute geben. Die Juristen und Rechtsphilosophen kommen jetzt in Verlegenheit, wie sie die Todesstrafe für mörderische Straßenräuber begründen sollen, wenn das Erfinden von Mitteln zum Massenmord schon ein hodibezahltes wissenschaftliches Gewerbe geworden ist.

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