Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Die Faust ins Gesicht
.... den Hetzern die Faust ins Gesicht ...“, das war der Inbegriff der liebenswürdigen Argumentation, welche die Ravag während der Russischen Stunde am Vorabend .des Ersten Mai in eine aufhorchende Welt strahlte. Zum Tag der Arbeit. Nicht an den Pflug, an den Schraubstock, an die Drehbank, an die Axt oder an die Brieftaschen der Zwangsversicherten, nein, ins Gesicht die Faust. Dort gehört sie nämlich hin, um ihr Friedenswerk zu tun, versteht sich. Der Schluß ist bündig und von schwer zu widerlegender Logik: Schlag dem Gegner den Schädel ein und aller Streit hat ein Ende. Wozu also erst lang über das Ende des. Streites verhandeln, beginnen wir lieber gleich mit dem Schädeleinschlagen! Der Friede, so war in der gleichen Sendung zu hören, ist ja nicht etwas, das einem geschenkt würde — und niemand weiß das besser als die Österreicher —, man muß vielmehr um ihn kämpfen, nötigenfalls auch einen neuen Krieg führen. Einen Augenblick stutzt man, Orwells grausige Zukunftsvision fällt einem ein mit ihrem „Zwiedenken“ und den Totschlagworten: „Krieg bedeutet Frieden“ und „Freiheit ist Sklaverei“. Sind wir schon mitten drin in dem seelenmordenden Gedankenzirkel? Kriege können aus den verschiedensten Gründen geführt werden, der Ehre wegen oder um ein Unrecht aus der Welt zu schaffen, was freilich unmodern geworden ist. Oder auch um der Freiheit, der Menschlichkeit willen, ja sogar um die Vorherrschaft oder einen schnöden Vorteil zu erlangen. All dies läßt sich verstehen, aber für den Frieden Krieg führen, nein, das ist zuviel! Hier meutert der gesunde Menschenverstand, hier müßte, wenn irgendwo, die Gedankenpolizei einschreiten. Aber, wenn es so weitergeht, werden wir es vielleicht erleben. Nie noch war so viel vom Frieden die Rede, wie an diesem Ersten Mai, nie noch wurde gleichzeitig so brutal mit Gewalt gedroht. Ein Alibi für gegenwärtige und künftige Greueltaten, für Priesterprozesse und für die Drangsalierung ganzer Völker? Vielleicht. Vor allem: Die Faust ins Gesicht, das ist ein Argument, das zum Schweigen bringt, wenn es schon nicht überzeugt. Außerdem ist es zwar bösartig, aber gar nicht so weit daneben gegriffen. Es sollte heißen: „Die Faust aufs Auge“, so paßt nämlich der angeschlagene Ton zu den Umgangsformen anständiger Menschen, der sonst im allgemeinen in Österreich noch üblich ist.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!