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Fernsehküche

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Der Mann, der unlängst vor den erstarrten Augen zahlloser österreichischer Fernsehzuschauer in einer ,fiorizonte“-Sendung („Der Österreicher und sein Hund“) bedächtig und genußvoll gebacke-nen Hund fraß („Tun Sie das des öfteren?“ — „I wart halt, bis aner schlachtreif is“), besagter Mensch, gemütvoll und durchaus bodenständig, war wesentlich aufregender als das menschenfressende Spießerehepaar, das in einem aus der „Tribüne“ übertragenen Einakter auftrat, der „Halali“ hieß. Mag sein, daß wutentbrannte Farmer im amerikanischen Mittelwesten dann und wann, wie behauptet wird, streunende Hippies abschießen, es ist aber nicht anzunehmen, daß sie Appetit haben auf sowas. Allein der Gedanke erzeugt Sodbrennen, und hierzulande entbehrt er überhaupt jeglicher Schockwirkung.

Als kurz darauf jedoch ein besonders kulturlos-bösartiges Stehparterrepublikum in der Wiener Staatsoper wieder einmal einen (übrigens sympathischen) Sänger für „schlachtreif“ erachtete, Hust-, Schneuz- und Räusperorgien inszenierte und schließlich unter Protest der hintersten Parterrereihen lauthals konstatierte: „A Stimm wirra Fernsehkoch“, wurde der Plan einer längst fälligen Laudatio geboren, und zwar der folgenden: Keiner hat (unseres Wissens) noch je den Küchenmeistern gedankt, die unsere Hausfrauen nun schon seit Jahren mit phantasieanregenden Vorführungen bedienen; die uns, so wir nur um jene frühe Stunde Zeit und Muße haben, in Träumereien köstlichster Art schwelgen lassen, Erinnerungen an die Offenbarungen mittelmeerischer Länder, an schwedischen Smörgäsbord, an dänisches Smörrebröd, an norddeutsche Fischspezialitäten, an tschechische Selchwaren, ungarische Suppen, kroatische Raznici wecken und uns die alte Erkenntnis bestätigen, daß es nur einen einzigen Ort auf dieser Welt gibt, an dem Essen und Trinken zu einer Kulturleistung erster Ordnung gesteigert wurden, nämlich Frankreich. Nur wer die Fernsehküche kennt, weiß um das Geheimnis der Verwandlung, um den Weg aus dem Grauen und dem Blutdunst der Schlachthäuser bis zu den farbigen und duftenden Köstlichkeiten auf schönem Porzellan, umrahmt von Silber und Damast, um-schiramert von brennenden Kerzen und von Blumen. Muß Kochen schön sein! Kochen in Küchen, wie sie das Fernsehen zeigt, auf daß Gattinnen von ihnen träumen mögen, kochen in strahlender Sauberkeit, mit Wasserspülung, geruchlos. Kochen, wie es euch gefällt und was ihr wollt.

Das Bild wird ja, sobald Geschirrberge sich zu türmen beginnen, mild und unauffällig abgeblendet.

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