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Godot, der Bäcker

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GODOT IST GEKOMMEN: „Prosa viva“. Von Mirodag Bnlatovlc. Hanser-Verlag, München, 1966. 132 Selten. — DIALOGE. Von Marguerlte D n r a s, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt, 198$. 286 Selten. DM 24.—.

Die Tatsache, daß sich hier einmal ein Autor nicht stillschweigend von Samuel Becketts „Warten auf Godot“ inspirieren ließ und ein bißchen Plagiat betreibt, sondern in aller Öffentlichkeit den Anschluß an Bek-kett schon im Titel hervorstreicht, ist sympathisch. Auch diesmal warten die beiden Existenzvagabunden Wladimir und Estragon auf Godot, der Erlösung bringen soll. Und — zum Erstaunen aller — er kommt! Allerdings ohne Heilsbotschaft, ohne Erlösung aus dem Sumpf des hoffnungslosen Wartens zu bringen. Denn Godot ist Analphabet. Analphabet und Bäcker, und sein Wundermittel heißt Mehl. Er ist ängstlich, ein ganz gewöhnlicher Mensch, der Brot und Liebe bringen will, er kommt zu Fuß, nicht wie erwartet mit dem Flugzeug, kurz: er ist das Gegenteil von dem, was man sich vorstellte. Dem Postfräulein schenkt er Liebe, Lucky, dem Sklaven am Strick Pozzos, die Freiheit und den beiden Vagabunden Mehl. Man versteht ihn nicht und macht ihm den Prozeß. Godot ist gekommen — er wird aber wieder fortgejagt, weil im Grunde niemand aus dem Sumpf befreit werden will...

Becketts Stück ist natürlich unvergleichlich besser. Sprachlich, szenisch, in jeder Hinsicht darüber kann kein Zweifel bestehen. Trotzdem ist dieser Versuch von Bulato-vic lesens- und (bei einigen Streichungen) aufführungswert. Sein Verdienst liegt dabei durchaus im eigenen Ausschöpfen spielerisch Möglichkeiten und keineswegs in der konsequenten Fortführung von Bek-ketts Thematik. Eigentlich kann man verschiedene Anachronismen, Über-schwänglichkeiten, die Erotik und die allzu simple, ostfreundliche Brotsymbolik nur dann akzeptieren, wenn man die Vorlage vergißt. Gelingt das, dann wird man dem interessanten Stück einiges abgewinnen können.

*

Fünf Theaterstücke vereinigt dieser Band unter dem nicht ganz unzutreffenden Titel „Dialoge“: Gespräch im Park, Die Viadukte, Ganze Tage in den Bäumen, Seen und Schlösser, La Musioa. Im letzten findet sich eine noch viel weniger unzutreffende Regiebemerkung, die den dramatischen Nagel auf den Dialogkopf trifft: „Diese Rederei kann ausgedehnt oder eingeschränkt oder verändert werden“ (S. 244). Genauso ist es. Sie kann aber auch überhaupt weggelassen werden, was vermutlich das beste wäre. Duras Stücke sind nämlich etwas, das sie nicht sein dürften — langweilig. Da hilft kein Improvisieren, darüber trösten keine poetischen Mascherln hinweg, die zugegebenermaßen manchmal einen gewissen Reiz haben. Ihre monumentale Geschwätzigkeit und Ihr ausgesprochener Sinn fürs optisch Umsetzbare lassen für die Drehbuchautorin von „Hiro-schima mon amour“ beim Film eine segensreichere Betätigung vermuten

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