Steinmarder - © Foto: iStock / Philippe Clement

Marder, Blut und Diktatoren

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Was ein Marder mit Aggression und Krieg zu tun hat - und der Mensch mit beidem umgehen sollte.

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Was ein Marder mit Aggression und Krieg zu tun hat - und der Mensch mit beidem umgehen sollte.

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Der Steinmarder ist ein in vielerlei Hinsicht dem Menschen nahes Tier. Nicht nur weil er ihm überallhin folgt als ein „Kulturfolger“ – und gerne in Dachböden und unter Stalldächern haust. Er teilt mit seinem unfreiwilligen Unterkunftgeber auch die Vorliebe für zartes Hühnerfleisch. Wobei man über die Beobachtung des Marders auch dem Phänomen des „Blutrauschs“ auf die Spur gekommen ist.

Der Marder tötet nämlich oft wahllos alle Hühner eines Stalls, obwohl er nur eines verzehren kann. Verhaltensbiologen meinen nun, das habe mit dem panischen Geflatter der Überfallenen zu tun. Die Hektik der Opfer mache den Räuber also zum rasenden Mörder. Das bestätigt einerseits im Großen, wozu Psychologen im Kleinmenschlichen stets geraten haben: Wer angesichts von Aggression ruhig bleibt, hat die besseren Karten. Und es bestätigt den Volksmund, der schon vor den Psychologen wusste: Angst ist ein schlechter Ratgeber.

Wer einen Marder im Mordrausch bremsen will, muss sich mit Mitteln behelfen, die dieser fürchtet – und seien es ‚Marder‘ aus Eisen und Stahl.

Das muss hier aktuell in Zusammenhang mit Politikern russischer Provenienz erwähnt werden, die gerne mit dem dritten Weltkrieg drohen und uns gleichsam zum Nervenflattern bringen wollen. Doch wenn man ruhig bleibt und um sich blickt, wird man feststellen: Natürlich ist und war das immer eine Möglichkeit. Aber wer sie ergreift, vernichtet sich selbst. Und es ist zu hoffen, dass in diesem Punkt selbst in der russischen Führung Menschen sitzen, die das Wort njet aussprechen können.

Mit Äsop im Kreml

Doch zurück zum Marder und seinen Eigenheiten. Er wird auch seit Jahr und Tag als Vorlage für Tierfabeln verwendet. Die folgende Episode dreht sich um einen Marder, den der Dichter Äsop vor etwa 2500 Jahren erfunden hat. Wieder spielt die Szenerie in einem Hühnerkobel, wo der Marder mit einem Hahn über dessen Ermordung diskutiert. Denn der Marder sieht sich im Recht, den Hahn zu meucheln, indem er sagt, der Hahn sei ein Blutschänder, da er Mütter und Schwestern bespringe, und er sei zudem lästig, da er in der Dunkelheit krähe. Der Hahn nun entgegnet, dass er die Menschen zu ihrem Nutzen wecke und es egal sei, wen er bespringe, solange dabei viele Eier herauskämen. Der Marder überlegt kurz und meint dann: „Wenn du auch keinen Mangel an Ausreden hast – werde ich dich deshalb etwa nicht fressen?“

Ein übler Mensch, so meint Äsop, wird eine Tat, die er begehen will, auch ausführen, wenn es keinen vernünftigen Vorwand dafür gibt. Taucht da nicht vor geistigem Aug ein Kriegsherr aus dem Kreml auf – mit gespitztem Marderlächeln? Viele sind zu ihm gekommen vor seinem Krieg und haben gebeten, gebettelt, gewarnt und gelockt. Aber wer die Strategie des Marders bremsen will, muss sich mit Mitteln helfen, die der Marder fürchtet – und seien es „Marder“ aus Eisen und Stahl.

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