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Marsch in das Jlellall!

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Wäre das nicht eine Wonne, Leute, die man auf den Mond schießen möchte, tatsächlich auf den Mond zu schicken?

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Wäre das nicht eine Wonne, Leute, die man auf den Mond schießen möchte, tatsächlich auf den Mond zu schicken?

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Ich habe mal geschrieben, daß ich gerne noch hundert Jahre auf Weltraumflüge verzichten könnte, wenn man die dafür bestimmten Mittel auf der Erde für dringendere Zwecke verwenden würde. Ich habe meine Meinung geändert. Älter geworden, begriff ich, daß man öffentliche Gelder - wie auch immer eingespart — niemals vernünftig ausgeben wird.

Man kann keineswegs auf die Erforschung des Weltraums verzichten. Im Gegenteil, es ist wohl die letzte Eisenbahn - oder vielleicht die letzte Rakete -, eine richtige Transportverbindung zu anderen Planeten herzustellen.

Die Besiedlung fremder Planeten ist zwar, meines Erachtens, keine erstrangige, keine dringende Aufgabe. Den Schwarzsehern, die eine katastrophale Überbevölkerung der Erde voraussagen, glaube ich nicht. Die unzähligen brachliegenden Gebiete unseres Planeten könnten Unmengen von Menschen beherbergen

und ernähren, wenn man die Mittel, die man für den Kampf um jedes Stückchen Wüste ausgibt, dazu verbrauchte, die Wüsten urbar zu machen.

Sollten sich die Menschen bei unveränderten Verhältnissen übermäßig vermehren, werden die Überzähligen vor Hunger aussterben oder von ihren Artgenossen erschlagen werden, wie es auch bei anderen Tierarten im Falle einer plötzlichen Vermehrung geschieht. Sollte sich dagegen unerwarteterweise der Wohlstand in der ganzen Welt ausbreiten, wird die Bevölkerungsexplosion von allein aufhören. Menschen, die im Wohlstand leben, sind nicht auf Kinderzeugung als einzige Altersversicherung und einzige Freizeitbeschäftigung angewiesen, sie

haben andere Wünsche und Hobbies und passen schon gut auf, um ihr materielles Wohl nicht zu schmälern.

Es gibt also keine zwingenden Gründe, fremde Planeten als Siedlungsgebiete zu besetzen. Es gibt aber andere wichtige Gründe, sie zu erobern. Der erste Grund ist das Erobern als solches. Für Militärs und manche Staatsmänner ist dies ein Zweck an sich - eine Prestigefrage und das höchste Ziel.

Für Eroberungsspiele sind Mars oder Saturn ideale Spielplätze. Ihre weitläufigen und herrenlosen Gebiete könnten jeden Marschall entzücken. Auch für uns, Rangniedere oder gar Zivilisten, sind sie günstig - bei außerirdischen Expansionen müssen keine Menschen getötet werden. (Vielleicht könnte man die Eroberer überzeugen, daß es auch so Spaß macht.) In Prag kursierte seinerzeit dieser Witz: „Hast du schon gehört?“ fragte ein Tscheche den anderen. „Die Russen sind auf dem Mond!“ Und der andere rief freudig: „Alle?“

Ich bin überzeugt, daß die Prager

(die Warschauer, die Budapester, die Ostberliner ...) sich auch mit einer bescheideneren Lösung zufriedengegeben hätten; man hätte nur die Parteispitze samt Apparat, die hohen Militärs und ein paar tausend Spitzel ins Weltall verfrachten müssen.

Aus anderen Erdgegenden würde man wohl auch einige tausend Plätze in den Müllabfuhrraketen des irdischen Hygienedienstes anfordern. Wäre das nicht eine Wonne, Leute, die man am liebsten auf den Mond schießen möchte, tatsächlich auf den Mond zu schicken?

Den Mond möchte ich persönlich jedoch lieber sauberhalten. Für die verschiedenen Saddam Husseins sollte man vorsichtshalber isolierte Planetoiden ein paar Lichtjährchen weiter suchen. Der Mond soll für uns, normale - das heißt, halbverrücktgemachte und halbverdummte — Weltbürger als Ausflugsort reserviert bleiben. Wenn wir die Erde ab und zu ein Wochenende lang vom Mond aus betrachten, werden wir vielleicht endlich begreifen, daß unser kleiner und eigentlich gemütlicher Planet ein Ganzes ist.

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