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Martin Luther und das Haserl

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Es ist nicht einmal sicher, ob diese Geschichte überhaupt passiert ist. Wahrscheinlich ist sie nur ein typisches Beispiel dafür, daß sich um bedeutende Gestalten der Geschichte eine Reihe von Legenden ranken wie zum Beispiel vom „Thesenanschlag am Portal der Schloßkirche zu Wittenberg”.

Und von Luther und dem Häschen weiß die Legende zu erzählen: Luther war bereits auf der Wartburg. Eines Tages lädt ihn sein Landesherr zur Jagd ein. Und wie sie da schön getarnt im Unterholz lauern und auf vorbeiziehendes Wild warten, das man erlegen kann, da raschelt es auf einmal neben Luther. Es war ein etwas verschrecktes, wohl von seiner Mutter zurückgelassenes Haserl.

Der Reformator - er hat wahrscheinlich einen Talar angehabt, also so etwas, was die evangelischen Pfarrer heute noch im Gottesdienst tragen - hat das Haserl in den weiten Ärmel gesteckt. Da hat es zuerst noch gezittert, und sein Herz hat heftig geschlagen. Aber mit der Zeit hat es sich beruhigt. Und Luther hat das Haserl mitgenommen auf die Wartburg und gepflegt, bis es ein großer, starker Hase geworden ist. Und eines Tages war es sö weit: da hat Luther den Hasen im Wald ausgelassen und ihm die Freiheit geschenkt.

Ja, es ist nicht einmal sicher, ob das alles wirklich so passiert ist. Aber: Wer diese Geschichte kennt, kann sicher den berühmten Hasen von Albrecht Dürer nicht mehr anschauen, ohne daß ihm sofort diese Geschichte einfällt. Aber egal - ob nun erfunden oder nicht -diese Geschichte enthält sehr viel Evangelisches im Sinn von „Evangelium”. Denn darum geht es doch:

Angst nehmen, Schutz bieten, für einen Verfolgten dasein, die Freiheit schenken.

Die Bibel ist ja bekanntlich voll von solchen Befreiungsgeschichten. Und in vielen von ihnen kommen Tiere vor - Ochs und Esel an der Krippe; der große Fisch, der den Propheten Jona verschluckt hat; die Frösche, die dem Pharao bis auf die Tu-chent gehüpft sind; der Hahn, der dreimal gekräht hat - sie alle verstehen etwas von Befreiungstheologie.

Und Freiheit ist immer noch die Besonderheit der reformatorischen Kirchen.

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