Ratte rattus rattus - © Foto: iStock/gallinago_media

Putins Geschichten: Den Krieg ausrattieren

19451960198020002020

Eine Geschichte über einen übel beleumundeten Nager, der Wladimir Putin einst eine Lehre erteilte.

19451960198020002020

Eine Geschichte über einen übel beleumundeten Nager, der Wladimir Putin einst eine Lehre erteilte.

Werbung
Werbung
Werbung

Es nehmen Geschichten über Tiere selten Einfluss auf die Weltpolitik, aber sie tun es in Ausnahmefällen doch. Wie die meisten prägenden Tiergeschichten stammen sie auch bei Weltpolitikern aus ihrer Jugend, einer Zeit also, in der sie etwas mehr Verbindung mit der Natur hatten, vielleicht auch noch das eine oder andere sanfte Gefühl im Leib. Nicht immer sind diese Geschichten romantisch. Auch jene nicht, die Wladimir Putin für sich als prägend erlebte und in seinem ersten Interviewbuch in den 90er Jahren veröffentlichen ließ. Putin, so Putin, wuchs in einem der einfachen Plattenbauten von Leningrad auf und die Tiere, die dort die Menschen umgaben, waren Ratten, welche die Gänge und Keller, Schlurfe und Parks rund um die Häuser bevölkerten. Eine dieser Ratten stöberte klein Wladimir auf und es gelang ihm, sie in eine Ecke zu treiben.

Putin erzählt zwar Geschichten über Hausratten, hat aber von Hausratten keine Ahnung. Hätte er von ihnen gelernt, er hätte der Welt dieses Blutbad erspart.

Als er aber ansetzte, das Tier zu fangen und zu töten, drehte die Ratte den Spieß um, sprang ihm ins Gesicht, kratzte ihn und verfolgte ihn bis an die Tür der elterlichen Wohnung. Eine Erkenntnis reifte also in dem Buben: Treib niemals jemanden in die Enge, sodass er sich verzweifelt wehren muss, denn dann wird die Situation unberechenbar. Versteht Putin (seine) Geschichte? Diese Geschichte, so weit erzählt von Putin selbst, lässt einen aufgrund der aktuellen Situation ratlos zurück: Ist Putin nun der in die Enge getriebene, der mit Raketchen spielen muss, weil alle anderen so böse zu ihm sind, weil er sich ein Land krallen will, von dem er meint, es sei seines? Oder ist es nicht viel eher die Ukraine, deren Bürger verzweifelt ihr Schicksal in einen von vielen als aussichtslos bezeichneten Kampf geworfen haben?

Demnach hätte Putin seine eigene Rattengeschichte nicht verstanden - zum Leidwesen jener Soldaten, denen er einen völkerrechtswidrigen Überfall auf einen souveränen Staat befohlen hat. Davon einmal abgesehen, aber nicht davon unabhängig, ist es ein Fehler Putins, Rattengeschichten zu erzählen, aber nicht wirklich etwas über Ratten zu wissen. Vor allem nicht über ihren sozialen Fähigkeiten. Wie sie stets ihre Nahrung teilen, wie sie in der Gruppe ihre Nachkommenschaft versorgen. Es gab sogar einen Versuch, in dem Ratten andere Ratten, die in einem Glasbehälter gefangen waren, befreiten - und zwar uneigennützig.

Man stelle sich das einmal osteuropäisch politisch vor: Russland entlässt die Ukraine aus Putins historischem Gruselkabinett aus Zarenpopanz und Ostalgie und man profitiert von den natürlichen Schätzen, die diesen Ländern zur Verfügung stehen. Wie glücklich wären Russen und Ukrainer. Und wie dankbar ihrem Retter, der endlich etwas von einer Ratte gelernt hätte, das wirklich wichtig wäre. Aber soviel Stratege wie die Hausratte ist er wohl dann doch nicht, der Herr des Gemetzels.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung