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Salonfähiges Österreich
Jahrelang war es so, daß nur der etwas galt, der im Urlaub in ein anderes Land fuhr, möglichst in einen anderen Erdteil. Recht weit weg von Österreich jedenfalls, und wenn man im Herbst mit Freunden und Bekannten zusammenkam, durfte man überhaupt nur mitreden, wenn man mit imponierenden Kilometerzahlen, mit exotischen Souvenirs und Dias aufwarten konnte, die bewiesen, daß man tatsächlich „dort“ gewesen war... Nein, man mußte schon in ganzer Größe auf den Dias sichtbar sein, neben Pyramiden, Elefanten, mit einer Schlange um den Hals oder doch wenigstens Tauben fütternd.
Dieses Gesellschaftsspiel haben wir nun mit Eifer viele Jahre lang betrieben. Es hat Spaß gemacht, man hat — schon aus purem Ehrgeiz und dem Prestige zuliebe — viel gesehen und erlebt. Aber jetzt scheint sich, wie das mit Modedingen schon einmal so ist, etwas Neues anzubahnen, ein Gesinnungswandel, eine Geschmacksveränderung — vielleicht ist es auch nur ein Ermüden der bisherigen Reiselust.
Schon im letzten Herbst konnte man interessante Beobachtungen machen, die den neuen Trend ankündigten. Wenn ein paar Leute betsammen-saßen, um Urlaubserlebnisse auszutauschen, waren stets auch einige darunter, die im Grunde nichts anderes zu berichten wußten, als daß sie sich im Urlaub prächtig erholt hätten. Und wo, wenn man fragen darf? In einer österreichischen „Sommerfrische“. Es war von gemütlichen Dorf Wirtshäusern die' Rede, von Schwammerlsuchen und Beerenpflücken, von den Kindern, die zu ihrem Entzücken ins hohe Gras steigen und beim Viehhüten helfen durften — von der ganzen Seligkeit eines einfachen Landaufenthaltes eben, den zu genießen wir fast schon verlernt hatten. Und plötzlich war das alles wieder salonfähig. Die Dias, auf denen der kleine Helmut mit dem Hofhund spielt, auf denen die Mutter im Dirndl am Wasserfall sitzt. Die Zeiten, da man in der kleinen österreichischen Sommerfrische auf jegliche Behaglichkeit verzichten mußte, in denen einem zugemutet wurde, sich beim Brunnen zu waschen und in einem schlechten Bett zu schlafen, sind längst vorbei. Man findet heute auch im kleinsten Ort moderne und gepflegte Quartiere, gut geführte Pensionen und Gasthäuser, in denen die lange Speisekarte und die Espressomaschine selbstverständlich sind. Jahr für Jahr wächst die Zahl der Urlaubsorte, die neben modernen Schwimmbädern auch Tennis- und Minigolfplätze, automatische Kegelbahnen, Liftanlagen, Leihfahrräder, Kinderspielplätze und überhaupt alles zu bieten haben, was den Urlaub angenehm macht.
So mancher wird gerade nach einigen Auslandsurlauben, die vielleicht doch etwas anstrengend waren, die landschaftlichen Schönheiten der eigenen Heimat mit anderen Augen sehen. Und er wird dankbar feststellen, daß die Luft unserer Alpen- und Seengebiete und die schöne Ruhe einer österreichischen Sommerr frische seinen beanspruchten Nerven doch weitaus am besten bekommen.
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