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Vom Mythos zum Molekül

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„Prinzip aller Dinge ist das Wasser, aus Wasser ist alles und in Wasser kehrt alles zurück " Thaies von Milet, 650 v. Chr.

Wasser ist sanft und voller Kraft. Es ist Symbol der Reinheit, des Unbewußten, Ort der Erhellung, der Reinigung: Wasserweihe, Weihwasser. Einstmals heilig, weil heilendes, sakrales Fluid: Taufwasser, das von der Sünde reinigt. Auf altägyptisch hieß ertrinken verehren. Doch die Verehrung scheint der Vergangenheit anzugehören. Wasser heute wird auf die chemische Formel H20 reduziert: wir benutzen es, um unsere Abfälle zu beseitigen.

Längst mangelt es an Trinkwasser, das wir als Rrauchwasser mißbrauchen. Wir verseuchen es mit Pestiziden, Dünger, Schwermetallen. Wollen wir es trinken, muß es immer öfter technisch und chemisch „gereinigt" werden. Wasser ist zum Schauplatz geworden, an dem in voller Dramatik auch die bösen Folgen unserer Techno-Zivilisation vorgeführt werden, die uns doch mit so viel Bequemlichkeit versorgt.

Ünsres ist ein mit Wasser gesegnetes Land, mit Bergquellen, Grundwasser, Seen, Bächen und Flüssen. Doch auch wir gehen allzu achtlos mit unserem von vielen beneideten und begehrten Beich-tum um. Eine Greenpeace-Meßtour, bei der über 1000 Trinkwasserproben untersucht wurden, wies 25 Prozent überhöhte Atrazinwerte auf, fünf Prozent Nitratgehalte über 50 Milligramm pro Liter. Der WHO-Grenzwert von 25 Milligramm pro Liter für Kleinkinder wurde in einem Fünftel der Fälle überschritten. Ab 1997 hätte eine Obergrenze von 30 Milligramm pro Liter bei uns gelten sollen: ausgerechnet das Ministerium will jedoch bei 50 Milligramm bleiben!

Der geplante Semmeringtun-nel bedroht die Wasserversorgung der gesamten Region. Die Gemeinden entlang der Tunneltrasse müssen mit zum Teil chemisch aufbereiteten Ersatzwasser-Versorgungsanlagen ausgerüstet werden. 8,6 Millionen Liter werden täglich durch den Tunnel abfließen und so der Region entzogen: die Trinkwassermenge etwa der Bevölkerung der Landeshauptstadt St. Pölten.

Spanien ist das Land in Europa, das unter dem extremsten Wassermangel leidet. Spanien und Frankreich suchen sich die Quellwässer Aussees zu sichern. Tragöß verkauft schon heute Wasser und es ist abzusehen, daß die Übernutzung sich negativ auf den Bergwasserhaushalt auswirkt. Ismael Sere-geadin, Vizepräsident der Weltbank, verantwortlich für Umwelt und Wasser, erklärte kürzlich: „Machen wir uns keine Illusionen! Die Wasserverknappung wird unsere Städte treffen. Im kommenden Jahrhundert werden Kriege ums Wasser geführt werden!"

Auch wir in Österreich werden in Zukunft viel respektvoller mit unserem Lebenselement umgehen müssen, wollen wir uns und unsere Zivilisation „über Wasser" halten.

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