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Ankara und seine Guerilleros

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Eine vorläufige und .unvollständige Summe der Ternonanschläge auf türkische Auslandsvertretungen: Vor zwei Jahren in Los Angeles; am 22. Oktober 1975 in Wien; am 24. Oktober 1975 in Paris; am 17. und 18. Februar 1976 in Beirut; am 29. M&i 1976 in Zürich.

Die meisten Beobachter haben diese Attentatserien Exilarmewiern zugeschrieben, was nicht zutreffen muß, denn die Politik“ Ankaras hat nicht nur die Armenier, die noch Rechnungen mit der Türkei wegen der Unterwerfung der- Ersten Armenischen Republik (1918—1920) und der Ermordung von ■ 1,5 Millionen Volksgenossen zu begleichen haben, sondern auch zahlreiche andere ethnische, politische und religiöse Gruppen gegen sich aufgebracht. So etwa die Tscherkessen, Araber und Zigeuner, die kaukasischen Lazen, die Kurden und die Griechen, aber auch die Derwische.

Wenn man von den Griechen absieht, die nach dem Ersten Weltkrieg einen 'unabhängigen Staat Pontus in Nordanatolien planten — das Gebiet entspricht übrigens ziemlich genau dem legendären Amazonenland —, gibt es in der Türkei heute nicht wenige Minderheiten, die eigene Staaten oder Autonomie verlangen.

Die türkische Zypern-Kolonisation soll dem Druck im Inland begegnen; im besetztet! Nond-Zypern werden jetzt auch Kurden, Lazen und Zigeuner angesiedelt. Die türkische Volksgruppe auf Zypern (bei der Invasion von 1974 120.000 Menschen, das sind 18 Prozent) soll dadurch auf 250.000 Seelen, das sind 40 Prozent, vermehrt wenden. Außerdem fürchten die Türken das Autonomiestreben der Kunden derart, daß sie haute die kurdische Sprache verbieten wie einstmals die armenische.

Aber für Ankara droht haute die Hauptgefahr von den türkisch-mao-istischen Guerltleros, die eigentlich, wie in eingeweihten Kreisen längst bekannt ist, für die oben erwähnten Terroraktionen verantwortlich sind. Sie operieren nicht nur im Ausland, sondern, viel aktiver noch, in Ana tollen selbst Die geheimen nächtlichen Funksprüche, die aus der Gegend des Pontus-Gebirges und des Van-Sees kommen, sind Kontaktsngrjale mit Genossen In Westeuropa und Nahost

Bereits im März dieses Jahres er-

hielt der türkische Generalstab eine Vorwarnung der linken Untergrund-onganisation KDK, daß die TPLA (Türkische Volksbefreiungsarmee) ihre Terrorkampagne in der Südosttürkei verstärken wolle. Die KDK hat früher mit der TPLA zusammengearbeitet, sich dann aber abgespal-

ten. Die Sic^rheitsfoehcaiden in vier türkischen Südostprovinzen erhielten die Weisung, auf der Hut zu sein. Laut KDK wird die TPLA von der PLO unterstützt. In Istanbul wunde ein Sonderstab eingesetzt, der die Führer der tiürkiisch-maois tischen Untergrund-KP aufspüren soll.

Der Terrorismus ist in der Türkei verbreiteter als man amtlich zugibt Die TPLA agitiert auch unter den türkischen Gastarbeitern in Westdeutschland. Von dort aus werden heimlich Waffen in die Heimat geschmuggelt, die vorwiegend aus Polen und der CSSR stammen.

Den Sicherheitsbehörden der Türkei sind im Juni dieses Jahres auch Geheimdokumente aus der DDR in die Hände gefallen. Es handelt sich dabei um Pläne zur Infiltration türkischer Erziehungsanstalten und Produktionsbetriebe. Eine Landkarte verrät, wie ein künftiges (kommu-

nistisches) Staatsgebüde an Stelle der heutigen Türkei aussehen soll. Demnach wäre das Land in zehn Teilstaaten aufzugliedern und dann wieder in einer „Volksrepublik Anatolu“ zu veneinigen.

In der Provinz Gaziantep an der syrischen Grenze, mit vorwiegend

a rabischer Bevölkerung, brach im Juni 1976 ein regelrechter Bürgerkrieg zwischen Kommunisten und Polizeikräften aus: Erst nach dem Einsatz von Panzern und Geschützen gelang es dem Militär, die Rehellen zur Kapitulation zw zwingen. Eine große Menge von Propagandaschriften und Waffen wurde sichergestellt Sie stammten ausnahmsweise aus der Volksrepublik China.

Um der heiklen Situation Herr zu werden, versucht es Ankara seit einem Jahr mit einem Kurswechsel: mit der Wiederannäherung an die islamische Welt. Die PLO wurde anerkannt, damit diese die türkischen Terroristen nicht mehr untenstütze. Aber die politische Konstellation im Nahen Osten hat sich seither infolge des libanesischen Bürgerkriegs geändert Die Palästinenser (und mit ihnen die Türken) sind in Damaskus unbeliebt.

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