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Anlegen, aber kaum mitreden

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FURCHE: Wieso gibt es eigentlich noch immer Widerstand in Ihrer Partei gegen die geplante Privatisierung? ÖGB-Präsident Benya will auch immer noch lieber zur Verlustabdeckung die Quellensteuer einführen als Staatsanteile verkaufen.

EWALD NOWOTNY: Die steuerliche Erfassung von Zinserträgen und die Finanzierung der Verstaatlichten sind natürlich zwei verschiedene Paar Schuhe. Und der wirkliche Widerstand im ÖGB betrifft j a auch die Frage der politischen Mitwirkung. Der Hauptausschuß des Parlamentes soll in Zukunft bei Verkäufen von Staatsbetrieben nicht mehr befaßt werden. Daher fällt ein wesentlicher Aspekt der parlamentarischen Hoheitsrechte weg, nämlich die Verfügung über Bundeseigentum. Und das beunruhigt nicht nur den ÖGB, sondern auch viele in der sozialistischen Parlamentsfraktion.

FURCHE: Finden Sie die ganze Aktion eigentlich gut vorbereitet?

NOWOTNY: Es kommt darauf an, welche Ansprüche man an die Vorarbeiten stellt. Jetzt geht es zuerst einmal um die politischen und gesetzlichen Grundlagen. Daß es eine Reihe von Turbulenzen und Verzögerungen gegeben hat, liegt daran, daß in der ursprünglichen Regierungsvorlage zum Teil politische Dinge enthalten waren, die offensichtlich mit großen Gruppen — auch in unserer Partei — nicht genügend akkor- diert wurden. Und da eine so wesentliche Frage doch nicht nur unter dem administrativen Aspekt gesehen werden darf, kann man die Meinungsverschiedenheiten nicht negativ beurteilen.

FURCHE: So viel Zeit bleibt bis zur Börseeinführung etwa der ÖMV oder Verbundgesellschaft auch wieder nicht.

NOWOTNY: Ab 2. Juli werden sowohl für den ÖIAG-Bereich als auch für die Banken und die Ener-

giewirtschaft die gesetzlichen Grundlagen gegeben sein. Der zweite Schritt betrifft dann die organisatorische und kommerzielle Vorbereitung wie die Bildung der entsprechenden Bankenkonsortien bis zu Werbeaktionen.

FURCHE: Könnte ein Privater mit einem unternehmerischen Sorgenkind auch so problemlos an die Börse?

NOWOTNY: Unternehmen wie die Verbundgesellschaft oder die ÖMV sind regelrechte „blue Chips“, also Superwerte, da ist die Börsefähigkeit kein Problem. Aber worauf wir sicherlich achten müssen ist, daß wir nicht unter- preisig verkaufen, um spektakuläre Anfangserfolge zu erzielen. Auf keinen Fall sollen die Aktien eine Goldmine für Spekulanten sein.

FURCHE: Wenn Spekulieren unerwünscht ist, warum sollte dann ein Interessent einsteigen? Aus patriotischem Opferwillen etwa, oder weil man Verständnis für die Geldnöte der Regierung hat?

NOWÖTNY: Opferwillen gibt’s wohl kaum unter Aktionären. Worum es geht ist, daß zum Beispiel ÖMV- oder Verbund-Aktien langfristig gesehen sichere Anlageformen sind. Wer so etwas nicht will, kann ja sozusagen im nächsten Schritt in die riskantere Form der Industrieaktie investieren. Aber das sind dann Anlageformen für etwas routiniertere Anleger.

FURCHE: Glauben Sie wirklich, die Österreicher werden auf einmal rišiko freudige A ktionäre ? Oder werden die Wertpapiere der verstaatlichten Unternehmen nicht mangels anderer Käufer in den Portefeuilles der verstaatlichten Banken landen?Das kann doch wohl nicht Ziel der Sache sein?

NOWOTNY: Im Gegenteil, die Wertpapiere wären ein interes santer Anlagewert gerade eben für substanzorientierte Großanleger wie Banken oder Versicherungen, und sind dann nur eine Umschichtung von Geldern.

FURCHE: Was steht denn dann hinter dem Privatisierungsgedanken? Ist es schlicht der Wunsch nach mehr Einnahmen, sprich „Verkauf des Familiensilbers“, und gar nicht so sehr die Vorstellung, Abspecken ist gesund für den Staat?

NOWOTNY: Aus der Sicht meiner Partei wird die Teilprivatisierung einfach als Notwendigkeit gesehen, um entsprechende finanzielle Voraussetzungen für Umstrukturierungen zu erhalten. Ganz nüchtern gesagt: Da offensichtlich der ganze Bereich der verstaatlichten Industrie, bedingt durch weltwirtschaftliche Entwicklungen, nicht mehr so wie jetzt erhaltbar ist, erscheint es derzeit vernünftiger, sich in gewissen Bereichen zurückzuzie hen, um den Kern leistungsfähiger zu gestalten. Das ist für uns der Grund, weshalb wir zugestimmt haben. Irgendwelche Erwartungen, daß dies zu höherer Produktivität führt oder gar zu höherer gesamtwirtschaftlicher Leistung, die haben wir nicht.

FURCHE: Worin liegt denn dann der Unterschied zur „alten“ Verstaatlichten ?

NOWOTNY: Erstmals zählt die betriebswirtschaftliche Komponente stärker als bisher. Obwohl auch in Zukunft die gesamtwirtschaftliche Verantwortung gegeben ist, wie die Sicherung einer eigenen, unabhängigen Technologieentwicklung oder regionalpolitische Aspekte sowie der Schutz vor ausländischer Überfremdung. Das erklärt auch die Bedeutung der 51 Prozent. Zum anderen gibt es erstmals private Aktionäre und damit mehr Unabhängigkeit und Transparenzerfordernisse des Managements.

FURCHE: Kann sich eine Kon- zemführung jetzt gegen politische Einflußnahme wehren?

NOWOTNY: Sie hat jetzt die Möglichkeit, die Wünsche und Rechte der Minderheitsaktionäre vorzuschieben, wenn sie sich durchsetzen möchte.

FURCHE: Sind diese Gründe und Zielsetzungen vergleichbar mit den Privatisierungsaktionen anderer Länder?

NOWOTNY: Sowohl das Ministerium als auch die ÖIAG haben ausländische Beispiele intensiv studiert. Etwa, wie die technische Durchführung funktioniert, wie spekulative Elemente wie Uber- nahmetendenzen oder Machtballungen vermieden werden könnten. Aber ideologisch gesehen gibt es zum Beispiel zu Großbritannien gravierende Unterschiede. Dort ist es ja einfach so, daß sich die Regierung eine neue Klientel schaffen wollte, die sozusagen als große Mittelschicht hier die Illusion eines Miteigentums, aber in Wirklichkeit gar keine echte Mitbestimmung hat. Mit der Privatisierung sollte nur eine bestimmte politische Herrschaft zementiert werden. Denn in keiner Gesellschaft der Welt hat ein Kleinaktionär etwas zu reden. In Italien hat man zum Beispiel eine intelligente Lösung gefunden. Das Land ist nach Österreich der Staat mit dem größten Anteil an verstaatlichter Industrie…

FURCHE:… mit dem Unterschied, daß man dort Gewinne macht…

NOWOTNY: … aber nicht im Eisen- und Stahlbereich, der wird ebenfalls subventioniert. In Italien wurden zwar auch Anteile des

Staates verkauft, aber dafür hat man sich in anderen Bereichen eingekauft, sodaß der wirkliche Rückgang des staatlichen Einflusses minimal ist.

FURCHE: Wie stellt man sich die Konsequenzen des Anteilverkaufs auf die Personalpolitik in Österreich vor?Können Kleinaktionäre etwa über die Bestimmung eines Vorstandsvorsitzenden auch mitentscheiden?

NOWOTNY: Der Staat als Großaktionär wird wahrscheinlich andere Zielsetzungen haben als ein Kleinaktionär, dem es um Gewinne geht. Die vorhin erwähnten gesamtwirtschaftlichen Aspekte müssen zwar nicht dominieren, werden aber auch in Zukunft nicht ausgeschaltet. Und schauen Sie sich die Rechte eines Kleinaktionärs etwa bei Mercedes an, da sind doch solche Mitbestimmungsmöglichkeiten auch illusorisch, oder?

FURCHE: Das österreichische politische System wird immer als Sondermodell gesehen, in dem die Sozialpartnerschaft ebenso spezifisch ist wie dieser hohe Verstaatlichtenanteil. Es gibt jetzt so viele Jahre dieses Gleichgewicht zwischen Privat- und Staatskapital, Gewerkschaft und Regierung. Besteht die Gefahr, daß das ins Wanken gerät?

NOWOTNY: Immer wieder wird uns — zum Beispiel auch von der OECD — bestätigt, daß wir hier ein besonderes soziales Klima haben. Nicht nur wegen der geringen Streiktätigkeit, sondern auch aufgrund einer gemäßigten Lohnpolitik. Das geht natürlich nur auf der Basis eines gewissen ökonomischen Gleichgewichtes. Dafür sind’starke Gewerkschaften wichtig, und eine Regierung muß erkennen, daß es ein gesamtwirtschaftliches Interesse an starken Belegschaftsvertretern gibt und daß auch in Zukunft alles unterlassen werden sollte, sie zu schwächen.

Mit dem SPO-Abgeordneten und Professor für Finanzwissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien sprach Elfi Thiemer.

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