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Anliegen oder „Prestigefrage”?

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417.278 von über 5,6 Millionen Stimmberechtigten haben das Volksbegehren der FPÖ durch ihre Unterschrift unterstützt. Damit sind die formalen Voraussetzungen für die parlamentarische Behandlung erfüllt. Die Diskussion beginnt damit wieder dort, wo sie vor der Einleitung dieses Volksbegehrens geendet hat.

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417.278 von über 5,6 Millionen Stimmberechtigten haben das Volksbegehren der FPÖ durch ihre Unterschrift unterstützt. Damit sind die formalen Voraussetzungen für die parlamentarische Behandlung erfüllt. Die Diskussion beginnt damit wieder dort, wo sie vor der Einleitung dieses Volksbegehrens geendet hat.

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Jedes bundesweite Volksbegehren, das von 100.000 Stimmberechtigten unterstützt wird, ist gültig. Die darüber hinausgehende Zahl der Unterschriften ist für die parlamentarische Prozedur rechtlich vollkommen unerheblich, sondern lediglich eine politische Prestigefrage. Jedes Volksbegehren hat Anrecht auf korrekte Beratung, kein Volksbegehren hat - unabhängig von der Zahl der Unterstützungsunterschriften - Anrecht auf Erfüllung.

Sinnlose Anfechtung?

Da das Volksbegehren der FPÖ die verfassungsmäßigen Voraussetzungen erfüllt, hätte die überlegte Anfechtung des Ergebnisses durch Jörg Haider und die FPÖ - Stichwort: Behinderung - vor allem zur Folge gehabt, daß ein an sich gültiges Volksbegehren für ungültig erklärt werden soll. Um - selbst im Wiederholungsfall - danach trotzdem keinerlei andersgeartete parlamentarische Behandlung zu erreichen.

Denn wie ein Volksbegehren, das von wenigstens 100.000 Stimmberechtigten unterstützt worden ist, beraten werden muß, ist klar vorgegeben: Wenn die Hauptwahlbehörde feststellt, daß das Ergebnis nicht angefochten wurde - beziehungsweise im Fall einer Anfechtung: wenn der Verfassungsgerichtshof einer solchen nicht stattgeben hätte -, hat diese das Volksbegehren samt Begründung und Unterlagen dem Nationalrat zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zuzuweisen.

Geschäftsordnungsmäßige Behandlung heißt: Nach Übermittlung an das Parlament muß diese Materie einem Ausschuß des Nationalrates zugewiesen werden. Dieser hat binnen Monatsfrist nach Zuweisung mit den Beratungen zu beginnen und muß dann nach höchstens sechs Monaten dem Nationalrat einen Bericht vorlegen.

Kurzum: Wird das Volksbegehren - ohne Anfechtung - noch jetzt im Februar an den Nationalrat weitergeleitet, muß das Anliegen bis August beraten sein. Im Fall einer Anfechtung wäre die zügige Behandlung der „illegalen Ausländerfrage” (Kommentar Seite 3) im Nationalrat durch die FPÖ selbst für längere Zeit verzögert und verhindert worden.

Unterm Strich beginnt die Diskussion jetzt erneut dort, wo sie vor der Einleitung des Volksbegehrens geendet hat: Die FPÖ hatte es im November 1992 als ungenügend angesehen, ihre - dem Volksbegehren wörtlich entsprechenden - Entschließungsanträge zur Ausländerfrage einer vorgegebenen parlamentarischen Prozedur zu unterwerfen. Immerhin hatten die 33 FP-Abgeordneten damals ja sogar 782.648 Wähler(innen) zu vertreten. Letztlich ging es um die Fragen: Welcher Ausschuß? Muß es ein Sonderausschuß sein? Und: Soll es eine Fristsetzung geben?

Ein Sonderausschuß?

Ausschließlich die letzte Frage wurde quasi durch das Volksbegehren -sofern das die Frage war und es zu keiner Anfechtung kommt - entschieden. Ob das Gros der zwölf FP-Punk-te dem vorrangig mit der Materie befaßten Innenausschuß, Einzelfragen dem Unterrichtsausschuß, oder alles, von der Verfassungsforderung -„Österreich ist kein Einwanderungsland” - ausgehend, dem Verfassungsauschuß zugewiesen wird, ist damals wie heute lediglich eine politische Geschmacksfrage. Es könnte ebenso ein einschlägiger „Sonder”-Ausschuß eingerichtet werden.

Die Idee des Sonderausschusses hat seinerzeit Nationalratspräsident Heinz Fischer, der sich derzeit im Ausland aufhält, (erfolgslos) zur Diskussion gestellt. Heide Schmidt, deren Einstellung zum Volksbegehren bekannt ist, sieht in der seinerzeitigen SP-Ablehnung dieses Vorschlages einen „kapitalen Fehler” und plädiert gegenüber der FURCHE für „eine organisatorische Gesamtschau der Dinge”. Deshalb könnte, betont die Dritte Präsidentin des .Nationalrates, auch jetzt ein Sonderausschuß sinnvoll sein. Auch für Robert Lichal, den Zweiten Präsidenten des Nationalrates, ist es „keine Prestigefrage, ob die Punkte nun in getrennten Ausschüssen oder in einem gemeinsamen Ausschuß behandelt werden”.

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