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Ans der Pflicht stehlen?

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Wenn unter den Grünen heftig darüber diskutiert wird, ob ihre politischen Vorstellungen nicht einfach zu staatsorientiert sind, so ist ein Bereich sicherlich ausgenommen: die Landesverteidigung. Wenn sie schon sonst wenig eint, der chaotische Kongreß der Grün-Alternativen in Gmunden war ja nicht gerade von Einklang geprägt, so doch die Gegnerschaft zum Bundesheer. Und Peter Pilz hat schon ein Volksbegehren zur Abschaffung „im Hinterkopf“.

Das November-Referendum in der Schweiz, bei dem sich 65 Prozent gegen und 35 Prozent für eine Abschaffung der eidgenössischen Armee ausgesprochen haben, war willkommen, das hierzulande in politisches Kleingeld umzumünzen.

Dabei sind die Argumente der Anti-Bundesheer-Bewegung, die sich seit Günther Nennings 68er-Volksbegehren immer wieder zu organisieren versucht, durchaus wandelbar. Waren es einmal apokalyptische Bedrohungsszenarien, die die Frage nach (Un-)Möglich-keiten einer österreichischen Landesverteidigung stellen ließ, ist es heute umgekehrt der Bedrohungsverlust durch die europäische Entwicklung , der als Gegen-Argument dient. Und im heurigen Sommer wurde das Bundesheer „light“-sin-nig in Frage gestellt, nur um vom Noricum-Skandal abzulenken.

Die Neutralität und die Verpflichtung, daß Österreich diese „mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen“ wird, sind Existenzgrundlagen dieses Staates. Österreich ist als immerwährend neutraler Staat auf seine eigenen Sicherheitsanstrengungen angewiesen. Daran hat sich nichts geändert.

Im Gegenteil: Gerade weil Österreich eine EG-Mitgliedschaft anstrebt, muß es in seiner Bereitschaft, die Neutralitätspflichten wahrzunehmen, doppelt glaub- und vertrauenswürdig sein. Gerade weil in einem künftigen Europa die Neutralen einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität zu leisten haben, muß Österreich dem internationalen Stellenwert seiner bewaffneten Neutralität Rechnung tragen. Und gerade weil die apokalyptische Bedrohung hoffentlich gebannt ist, erhöhen sich die Chancen unserer konventionellen Verteidigungsmöglichkeiten. Daß der europäische Erneuerungsprozeß die Gefahr nationaler und regionaler Konflikte für die Zukunft ausschließt, ist zwar Hoffnung, für die es aber keine Garantie gibt. Daher haben wir gerade auch jetzt darüber nachzudenken, ob unsere Konzeption der bewaffneten Neutralität den jeweiligen strategischen und technischen Gegebenheiten entspricht.

Richtig ist: Je länger der Friedenszustand anhält und hoffentlich gesichert wird, desto weniger fühlt sich der Bürger bedroht. Und desto weniger versteht er die Notwendigkeit einer Landesverteidigung. Diesen Mangel an Verständnis will der Ruf nach Abschaffung politisch nützen. Da mangelt es auch: an Staatsgesinnung.

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