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Ans Licht statt hinter Gitter

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Der ehemalige burgenlän-dische Landtagsabgeordnete Ernst Rauchwarter mischte in über 20 Firmen mit. Der neue politische Skandal wirft eine alte Frage auf: Was kann gegen die Verquickung von Politik und Geschäft getan werden?

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Der ehemalige burgenlän-dische Landtagsabgeordnete Ernst Rauchwarter mischte in über 20 Firmen mit. Der neue politische Skandal wirft eine alte Frage auf: Was kann gegen die Verquickung von Politik und Geschäft getan werden?

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Mit der Kritik an der bestehenden wirtschaftlichen Unvereinbarkeitsregelung bzw. der bereits beschlossenen Neuregelulng des Unvereinbarkeitsgesetzes (UnvG) 1925 sind wesentliche Gesichtspunkte eines alternativen Reformvorschlages bereits vorweggenommen. Ein derartiger Vorschlag könnte im einzelnen in etwa folgendermaßen aussehen: Artikel 19 Absatz 2 Bundes-Ver-fassungsgesetz (B-VG) wäre durch einen neuen Artikel 19a B-VG zu ersetzen. Dieser sollte den folgenden Wortlaut haben:

„Absatz 1) Der Bundespräsident, der Bundeskanzler und die

übrigen Mitglieder der Bundesregierung dürfen keinen anderen (ständigen) Beruf ausüben.

Absatz 2) Die in Abs 1 genannten Personen haben ihr Amt unter strenger Wahrung der öffentlichen Interessen auszuüben. Sie haben sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Bei Gefahr im Verzug hat das befangene Organ die unaufschiebbaren Amtshandlungen selbst vorzunehmen. Ist ein Mitglied der Bundesregierung im Zweifel, ob eine Befangenheit vorliegt, kann der Nationalrat (die Bundesregierung) zur Entscheidung angerufen werden.

Absatz 3) Der Bundeskanzler und die übrigen Mitglieder der Bundesregierung haben sich bei der Wahrnehmung öffentlicher Eigentümerrechte in Kapital-und Personalgesellschaften durch Beamte vertreten zu lassen.

Absatz 4) Uber weitere wirtschaftliche Unvereinbarkeiten bestimmt das Gesetz. Dieses kann auch Offenlegungsverpflichtun-gen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der in Absatz 1 genannten Personen anordnen."

Für die Mitglieder des Nationalrates (und des Bundesrates) wären entsprechende wirtschaftliche Unvereinbarkeitsvorschriften in den Artikel 56 B-VG einzubauen. Ein neuer Absatz 2 und 3 hätten dort folgendermaßen zu lauten:

(2) „Sie haben ihr Amt unter völliger Hintanstellung ihrer privaten Interessen auszuüben".

(3) „Die Bestimmungen des Artikels 19a Absatz 4 sind auf die Mitglieder des Nationalrates (und des Bundesrates) sinngemäß anzuwenden.'*

Für die Mitglieder der Landes-

regierung und die Landtagsabgeordneten (sowie allenfalls für die Mitglieder des Bundesrates) wären entsprechende Bestimmungen über wirtschaftliche Unvereinbarkeiten in die Landesverfassung und in ein Landesunvereinbarkeitsgesetz aufzunehmen. Sie könnten und sollten angesichts der realen Bedeutung der politischen Funktionen in den Ländern in etwa dieselben sein, wie jene auf der Bundesebene.

Das bundesgesetzliche einfache Ausführungsgesetz zu Artikel 19a Absatz 4 B-VG sollte neben den

erforderlichen detaillierten Verfahrensregelungen vor allem Vorschriften über diverse Offen-legungsverpflichtungen für Politiker enthalten. Bei der Festlegung derartiger, im Vergleich zum bisher geltenden Recht neuer, weil indirekter Unvereinbarkeitsvorschriften ergibt sich aus der vorgeschlagenen Konstruktion eines einfachen Ausführungsgesetzes, daß das betreffende Gesetz grundsätzlich dem verfassungsrechtlichen Maßstab des Gleichheitssatzes unterstellt ist.

So gesehen ist es für dieses Gesetz zwar ohne weiteres zulässig, dem vom UnvG erfaßten Personenkreis bestimmte besondere Lasten und Pflichten aufzubürden, es darf dabei aber nicht zu exzessiven, das heißt sachlich

nicht mehr gerechtfertigten Beschränkungen kommen.

Im einzelnen wäre an derartigen neuen inhaltlichen wirtschaftlichen Unvereinbarkeitsregelungen zu fordern: Erstens, eine Reihe von Meldepflichten hinsichtlich aller Einkünfte von Politikern, der Spenden.die für politische Tätigkeiten zur Verfügung gestellt werden, aller Nebentätigkeiten und aller sonstigen Interessenverflechtungen mit Verbänden, Firmen, Organisationen und Einzelpersonen in Form von Beraterverträgen oder ähnlichen Vereinbarungen.

Diese Meldepflichten sollten für Regierungsmitglieder und für Parlamentarier statuiert werden. Die Meldung selbst sollte an den Nationalrat in seiner Gesamtheit gehen; eine Einschaltung des Unvereinbarkeitsausschusses als Adressat der Meldepflichten käme nur dann in Betracht, wenn diesfalls auch für die Ausschußtätigkeit ausnahmsweise der Öffentlichkeitsgrundsatz zumindest im Ansatz akzeptiert würde.

Ein zweites, zentrales Gebot eines neuen UnvG wäre in einer Verpflichtung zur Veröffentlichung sämtlicher haupt- und nebenberuflicher Funktionen zu sehen, die ein Regierungsmitglied oder ein Parlamentarier im staatlichen oder im eigenen Interesse ausübt...

Eine dritte einfachgesetzliche Unvereinbarkeitsregel sollte in der Verpflichtung eines jeden Unternehmens bestehen, das einem Politiker gehört und das Staatsaufträge erhält oder dessen Aufgabenbereich einen regelmäßigen Verkehr mit staatlichen Stellen voraussetzt, seine Jahresabschlüsse in geeigneter Weise in einem öffentlich zugänglichen Publikationsmedium zu publizieren ...

Für die oben geforderten Offen-legungspflichten bezüglich der Wirtschafts- und sonstigen Funktionen von Politikern könnten die aus der Sicht des Gleichheitssatzes entscheidende Vergleichsund Maßstabsfunktion die einschlägigen Vorschriften über öffentliche Bücher, wie insbesondere das Handelsregister und allenfalls auch das Grundbuch, übernehmen. Dort sind heute bereits zum Teil dieselben Informationen gespeichert und öffentlich zugänglich, die nunmehr mit teilweise anderen Bezugspunkten und vor allem nicht bloß „passiv", sondern auch „aktiv" publiziert werden sollten.

Der Autor ist ao. Universitätsprofessor für Verfassung!- und Verwaltungsrecht an der Universität Graz. Der Beitrag zitiert auszugsweise einen Aufsatz des Autors, erschienen in: KORRUPTION UND KONTROLLE. Studien zu Politik und Verwaltung. Hrsg. BrUnner/Mantl/Welan. Verlag Böhla u. Graz 1981.725 Seiten, broscK, öS 686,-

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