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Anschlag auf die Kultur ?

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Seitdem einige Tageszeitungen — vor allem die „Arbeiter Zeitung“ vom 28. Mai 1983 — die „geheimen Reformpläne“, die im ORF für das erste Hörfunkprogramm diskutiert werden sollen, der Öffentlichkeit mitgeteilt haben, ist wieder einmal und sogar für berechtigte Aufregung gesorgt.

Nach diesem Reformmodell, dessen Autoren der Linzer Landesintendant Hannes Leopolds- eder und seine Mitarbeiter sein sollen, soll aus dem Programm von ö 1 von 6—18 Uhr ein Musikberieselungsprogramm aus klassischer Musik mit stündlichen Nachrichtensendungen gemacht werden. Das hätte voraussichtlich „eine krasse Reduzierung der Wortsendüngen; vor allem von Literatur und Wissenschaft“ zur Folge. „Und ein Abschieben in die Abendstunden, wodurch die Wortsendungen in mörderische Konkurrenz zum TV kämen. Schulfunk- und Bildungsprogrammen droht auch der Exitus.“ So die „Arbeiter-Zeitung“.

Dagegen wird von mehreren Seiten bereits interveniert: von der Kirche wegen des katecheti- schen Schulfunks, von der Unterrichtsseite und nicht zuletzt von der Seite der Wortautoren, die Kultur, Wissenschaft und besonders Literatur für wichtig halten. Zudem sichert das Wortprogramm von ö 1 einen Teil des täglichen Brotes der Autoren.

Angesichts dieser Interventionen wird offiziell im ORF immer wieder betont, es sei „alles ganz anders“ und man wolle eben nur „Termine verschieben“ sowie die „Präsentation“ ändern. Auch Generalintendant Gerd Bacher hat am 11. Juni, anläßlich der Eröffnung der Zubauten des Funkhauses in der Argentinierstraße, zuberuhigen versucht und beteuert, man wolle ja der „Kultur“ nichts anhaben. Wer aber in diesem Haus arbeitet, der weiß genau, daß das immer so gemacht wird: es wird zunächst jedem, der interveniert, versichert, es sei alles ganz anders. Dann aber wird der ursprüngliche Plan überfallsartig einfach durchgeführt.

Gerd Bacher und manche seiner Mitarbeiter haben diese Methode nicht zum ersten Mal angewendet. In Wahrheit besteht im ORF nicht nur dieser Reformplan, sondern auch die feste Absicht, den Wortanteil im ersten Hörfunkprogramm — bisher Österreichs anspruchvollstes Programm — möglichst zurückzudrängen. Termine; die bisher täglich Dichtung vermittelt haben — „Te*te“ brachten Lyrik und Kurzprosa — sowie Hörspieltermine sollen eingeschränkt werden oder einfach verschwinden. Geplant ist außerdem, Abendtermine, die dann noch dem Wort verbleiben und die unter dem Konkurrenzdruck des Fernsehens stehen, hauptsächlich mit sogenannten „Magazinen“ zu füllen, einer Form, die Bacher und sein Kreis favorisieren.

Da bleibt dann eben für Dichtung genausowenig Raum wie für jene Autoren, die bisher Manuskripte schöpferisch gestaltet haben, denn an ihre Stelle treten dann Journalisten und „Modera-toren“, die vielleicht hübsch plaudern, aber das notwendige Fachwissen unmöglich vermitteln können.

Gefährdet sind durch diese Pläne alle Autoren, für deren Werke kaum mehr Sendetermine möglich wären, vor allem Lyriker und Novellisten, aber auch Hörspielautoren, die eventuell noch ein Experiment wagen. Was aus Sendungen wie dem „Fortsetzungsroman“ werden soll, in denen sehr viel zeitgenössische Dichtung vermittelt wird, ist ungewiß.

Kritische Sendungen über das Theater („Im Rampenlicht“) oder Buchbesprechungen („Ex li- bris“), die bisher zu den Wochenenden nachmittags gesendet wurden, sind ebenfalls gefährdet. Entfallen sie, sind Autoren und Kritiker in gleicher Weise geschädigt und nicht zuletzt der Hörer, der hier kreativen Fachleuten begegnen konnte.

Sollten auch einige dieser Sendungen noch in den geplanten Abendterminen landen, so könnte man sie dann nach einiger Zeit — mit der Begründung eines schlechten „Infratests“ — ohne weiteres beseitigen. Mit dieser im ORF sehr beliebten Methode ist man schon so manches losgeworden, was man loswerden wollte.

Auch der geplante Ausfall des Schulfunks, der daneben noch eine große pädagogische Aufgabe der allgemeinen Erwachsenenbil-

Wiener Funkhaus: Nur mehr Musikberieselungstempel? dung erfüllte, bedeutete eine fühlbare Verringerung des kulturellen Angebots. Abgesehen von den wissenschaftlichen Sendungen wird gerade im Schulfunk durch ganze Sendereihen sehr viel für die moderne österreichische, aber auch für die Weltliteratur getan. Besonders für den ländlichen Raum haben diese Sendungen eine besondere kulturvermittelnde Bedeutung.

Es ist verständlich, daß die Interessengemeinschaft österreichischer Autoren in einem Schreiben an die Verantwortlichen im ORF und im Kuratorium an die gesetzlichen Aufgaben der Kulturförderung des Rundfunks erinnert hat. Ihnen sowie allen für die Kulturpolitik Österreichs Verantwortlichen wäre ein Wort der Antike in Erinnerung zu rufen: „Mögen die Konsuln zusehen, daß die Sache der Kultur in unserem Vaterlande keinen Schaden erleide.“

Der Autor ist.Literaturhistoriker und langjähriger Leiter der Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur.

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