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Anschluß, Körperkult

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Aus dem reichhaltigen Angebot an Filmen (vom experimentellen bis zum Spielfilm) der bereits zum fünften Mal stattgefundenen „österreichischen Filmtage“ in Wels (11. bis 16. Oktober) hinterließen besonders zwei Dokumentarfilme einen nachhaltigen Eindruck.

Manfred Neuwirth hat einen sehr persönlichen Zugang zum aktuellen Thema „Anschluß“ gefunden. Für seine „Erinnerungen an ein verlorenes Land“ recherchierte er eine lange verborgen gebliebene historische Begebenheit.

Im Jahre 1938 wurde das Gebiet um Allentsteig und Döllersheim im niederösterreichischen Waldviertel zum Schauplatz einer Tragödie. Beinahe siebentausend Menschen mußten ihre Dörfer verlassen, die Nazis errichteten hier einen Truppenübungsplatz. „Viele sind durch Heimweh gestorben“, sagt einer der Betroffenen fünfzig Jahre danach im Gespräch mit Neuwirths Team, das mit „Oral History“, mit Gesprächen einem leeren, mit Ruinen übersäten Fleck auf der Landkarte, Farbe gibt.

Dabei zeigt kein theatralisch erhobener Zeigefinger auf die Opfer. Jede Polemik fehlt, in einer Vielzahl von Interviews mit dramaturgisch sinnvollen Einschü-ben von Bildern aus der Vergangenheit sprechen Fakten und verdeutlichen die Erinnerung derer, die bis heute auf eine Rückstellung ihres Eigentums, ihrer Höfe und Häuser warten. Denn heute übt das österreichische Bundesheer in diesem Gebiet.

Völlig konträr dazu, nicht nur im Stil, ist Josef Aichholzers „Body Body“, eine dokumentarische Persiflage auf den Körperkult. Der Film ist von einer gehörigen Portion Zynismus über die von Jugend, Fitness und athletisch wohlproportionierten Körper besessene heutige Gesellschaft bestimmt; Aichholzer läßt die Werbe- und Modebranche zu Wort kommen und spricht mit Medizinern auf den Spuren von Friedrich Nietzsche, die keinerlei ethisch-moralische Skrupel zeigen.

„Body Body“ stellt zweifelsohne etwa durch veränderte Lauf ge-schwindigkeiten bei der Darstellung von Turnübungen eine subjektive, eine stilisierte Wirklichkeit dar. Gerade dadurch wird allerdings der Körperkult als manierierte Ausprägung der Menschheit in höchst sarkastischer Weise präsent.

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