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Jeder siebente Österreicher liegt einmal im Jahr im Spital. Dort ist dann meistens der Ort, wo er sich mit dem Leid, mit der Frage „Wer bin ich, wohin gehe ich?“ auseinandersetzt. Dort ist er auch offen für die Werte des Lebens, zu denen er den Zugang durch Arbeit und Streß häufig verloren hat. Pa-

ter Peter Bolech vom Orden der Kamillianer, der sich besonders dem seelsorglichen Dienst am Kranken widmet, sagt: „Im Spital, am Krankenbett ist der Ort, wo wir noch intensiv die Verkündigung des Evangeliums betreiben können und wo sie auch ankommt.“

Die Situation der Seelsorge im Krankenhaus ist allerdings von Spital zu Spital sehr verschieden. Im Wiener Elisabethspital etwa ist ein älterer italienischer Geistlicher, der sich jedem Kranken persönlich zuwendet, sehr beliebt. Er konnte unter Mithilfe des Bettnachbarn einen Fußballer, der seit seiner Kindheit nicht mehr in einer Kirche war, zu einem neuen Zugang zum Religiösen verhelfen.

Das Beispiel der Mitpatienten ist freilich von großer Bedeutung. Verlangt einer nach den Sakramenten, schließen sich sofort einige andere auch in Nebenzimmern an. Wie aufgeschlossen Kranke und deren Angehörige für das Wort Gottes sein können, war beispielsweise für Besucher in einem großen Saal der 1. Medizinischen Universitätsklinik des Wiener Allgemeinen Krankenhauses überraschend. Es wurden Kontakte mit den Bettnachbarn des besuchten Patienten angeknüpft, man brachte ihnen kleine religiöse Schriften mit, die sehr begehrt waren. Als die Kranken das Interesse für ihre persönlichen Probleme merkten, waren ihre Herzen offen und dankbar für jedes religiöse Wort. Vom Anstaltsgeistlichen sagt man: „Der interessiert sich nicht für uns, ja, der fürchtet sich sogar, vor uns von Gott zu sprechen“…

Schlimm steht es auch in einigen anderen Wiener Spitälern, wie etwa in der Nervenheilanstalt Rosenhügel. Wenn der Priester selbst ebenso einen weißen Mantel trägt wie die Ärzte — das kleine silberne Kreuz am Revers wird von den Kranken meist nicht wahrgenommen — und nur im Vorbeigehen unverbindlich fragt:

„Wie gehts?“ gibt es fast nie ein Echo. Zur Besuchszeit ist er für die Angehörigen oft nicht erreichbar, so daß es manchmal schwierig ist. Schwerkranken die Sakramente spenden zu lassen.

Von der Krankenhausverwaltung werden dem Priester, ob in Gemeinde- oder Privatspital, keinerlei Schwierigkeiten entgegengesetzt. Erwin Ringel, Professor für psychosomatische Erkrankungen in Wien, hat mit seinen Vorträgen sehr fruchtbare Arbeit betreffend die öffentliche Meinung geleistet. (Schnitzlers „Professor Bernardi“ scheint heute überholt.)

Wie in den Pfarren so wird auch • in der Krankenseelsorge der Mangel an Priestern immer stärker spürbar. Monsignore Rudolf Schwarzenberger, der Leiter des Pastoralamtes der Erzdiözese Wien, möchte darum Diakone hauptamtlich in der Spitalsseelsorge einsetzen. Sie sollten einer ganz besonderen Zuwendung zum Mitmenschen fähig sein. Es existieren dazu bereits einige Ansätze, wo nämlich Laien den Besuchsdienst am Krankenbett übernommen haben. Einige Pfarren haben in ihre Seelsorgsarbeit auch den Krankenbesuch ihrer Pfarrangehörigen eingebaut. Auf diese Weise bleibt der Kranke mit

seiner Gemeinde in Verbindung. Die Jugendgruppe C wie auch die Legio Mariä machen regelmäßig Besuche im Pflegeheim Lainz. Auch Zivildiener können in Spitälern mit ihrem Zuspruch echte Verkündigung des Evangeliums betreiben.

„Es ist unmöglich, die Seelsorgearbeit im Krankenhaus kurzfristig zu ändern“, meint Rudolf Schwarzenberger. Aber es wurde bereits ein Konzept für eine umfassende Krankenhauspastoral erarbeitet. Sie soll völlig neu aufgebaut werden und man hofft, daß sie etwa in fünf Jahren effektiv werden kann.

Jeder Theologiestudent, der sich für den Gemeindedienst entscheidet, erhält in einem dreijährigen praktischen Pfarrdienst die erforderliche Ausbildung in pa- storaler Gesprächsführung. Wer sich dann für die Krankenseelsorge entscheidet, wird für ein Klinikpraktikum herangezogen. Hauptamtliche Krankenhausseelsorger, auch Laien, sollen in Hinkunft etwa zwei Monate an diė Universität Heidelberg zur fachlichen Ausbildung, wo man bereits diesbezügliche Erfahrungen hat. In Salzburg werden jeden Herbst dreiwöchige Fortbildungskurse für Krankenpastoral abgehalten, an denen etwa 200 Mitarbeiter — meist Laien — teilnehmen.

Neben der sorgfältigen Ausbildung sollte jedoch nicht vergessen werden, daß die ganz persönliche Zuwendung zum Kranken, das menschliche Begleiten und die Liebe zu ihm durch nichts ersetzt werden können!

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