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Anti-Konzentration

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Presse und Politik haben sich nie gescheut, eine Allianz einzugehen. Vielmehr gibt es ohne Zweifel in der Mediengeschichte so etwas wie einen konstanten Zusammenhang zwischen Einfluß auf den Meinungsbildungs-prozeß und der Ausübung politischer Macht — wenngleich dieser Zusammenhang nicht ganz so simpel ist, wie man in einigen Parteizentralen zu meinen glaubt.

Daher ist das Modell einer Presse unrealistisch, die sich sozusagen im aseptischen, politikfernen Raum als nur „beschreibende“, „reflektierende“, „objektive“, jedenfalls aber machtfrei betätigen will.

Nun ist es etwas anderes, Meinungsvielfalt und das Streben nach Objektivität dennoch als Ideal und Modellverhalten vor- und darzustellen. Kommt man nämlich zur Meinung, daß eine pluralistische Gesellschaft notwendigerweise einen pluralistischen Medienmarkt braucht, dann bedarf es auch der Bereitschaft, dieses Ideal durch gesetzliche Normen abzustützen. Man muß — gerade angesichts der aktuellen medienpolitischen Diskussion in Österreich — klarstellen: Ohne Eingriffe der Gesetzgebung wird es nicht gehen, soll noch etwas von der — übrigens verfassungsgesetzlich geschützten — Meinungsäußerungsfreiheit faktisch realisiert bleiben, was wiederum eine Existenzfrage für di Demokratie eines Landes ist.

Daß die Herausgabe und der Vertrieb von Zeitungen heute Geld kostet, immer mehr Geld kosten wird, und daß man das Ideal der Pro-grammvietöait auch in Hörfunk und Fernsehen aus diesen und technischen Gründen sowieso schon begraben hat, muß als Prätext aller ordnungspolitischen Möglichkeiten auf dem Medienmarkt gelten. Aber die Grundfrage muß doch deutlich lauten: kann man — und wenn ja, wie — dieses Tohuwabohu ordnen?

In der Zeit nach 1945, als die Parteien sich zu einer großen Koalition zusammengeschlossen hatten, teilten sie sich — unter Aufsicht der Besatzungsmächte — den Pressemarkt untereinander auf. Je totaler die Koalition war, desto totaler war auch die Fixierung der Österreicher auf mächtige Parteiblätter. Das ging soweit, daß Zeitungen wie das „Neue Österreich“ eine funktionierende Proporzaufteilung — fast schon nach Zeilen in den Meldungen — praktizieren mußten. Dennoch darf nicht außer acht gelassen werden, daß die Zeitungen der einen Koalitionspartei immerhin die Politik der anderen Koalitionspartei kritisierten und damit latent kontrollierten — wie auch im Ministerrat eine „Bereichsopposition“ der Parteien gegeneinander wirksam wurde.

Die sukzessive Vermorschung der großen Koalition — zunehmend zu Ende der fünfziger, vor allem aber in den ersten sechziger Jahren — veränderte auch schlagartig den Zei-tumigsmarkt. Schwache Koalition, schwache Parteizeitungen: das liberale Idealbild privater Herausgeber trat hervor, die unabhängigen Zeitungen gewannen den Parteizeitungen immer mehr Leser ab. Skeptisch gegen die Parteiestablishments, unabhängig von den Pressure-groups, statt dessen vor allem gebunden an den Geschmack und die Emotionen eines breiten Publikums. Der „Boulevard“ entstand.

Im Volksbegehren für den parteiunabhängigen Rundfunk wurde die unabhängige Presse zum „Lehrmeister der Nation“ und hob das morsche Parteiengefüge der Koalition mit einer eindrucksvollen Aktion aus den Angeln — einer Aktion, deren Hauptzweck in Wirklichkeit die Zerstörung einer bereits kaputt-politi-sierten Koalition war.

Die Einparteienregierungen nach 1966 vermochten dem zunehmend stärkeren Druck der Verbände und Interessengruppen nicht standzuhalten. In immer mehr Räume der Regierungspolitik traten aus dem Nebengebäude die Sozialpartner ein. Und heute verdrängt eine „Nebenkoalition“' augenfällig die Parteipolitik der Regierung — in Fragen der Wirtschafts-, der Energie- und jetzt auch der Medienpolitik.

Man muß die Dinge realistisch sehen: je stärker der Gewerkschaftsbund und innerhalb der Privatwirtschaft der Einfluß der Industrie wird, um so stärker wird auch das Engagement, die Politik der Interessenverbände durch Einfluß auf den Meinunigsbildungsprozeß abzustützen. Das ist, gerade auch nach einer liberal konzipierten Marktmechanik, ein politisches Naturgesetz.

Je mehr sich die Regierung einerseits, die Führung der großen Oppositionspartei anderseits, von den Reservaten der Sozialpartnerschaft entfernen, desto geringer wird die Chance, die Medienpolitik wieder in gerade Gleise zu legen. Denn zum “Unterschied von der Ära der Parteizeitungen ist im Falle möglicher Verbindungen von „Kurier“ und „Kronen-Zeitung“ — wenn auch nur in Randbereichen — die wechselseitige Kritik und Kontrolle erheblich geschwächt. Wer greift dann noch die Politik des ÖGB an, wer diejenige der Industriellenvereinigung?

Es geht um die vernünftige Steuerung dieser Entwicklung. Im Ausland ist ein weites Instrumentarium bereits erprobt oder steht in Diskussion, wie man übermäßige Konzentrationen kraft Gesetzes ausschließen kann; die Möglichkeiten reichen von Kartellvorschriften bis zu Vertriebsbeschränkungen (wie sie etwa die Medienkonzepte der deutschen Koalitionsparteien vorsehen). Das erheblich sympathischere Instrument aber ist ganz ohne Zweifel eine öffentliche Politik der gezielten Presseförderung. Denn es gibt ja in Österreich noch immer eine Palette von kleinen bis mittleren Zeitungen, die unter dem Konkurrenzdruck der großen besonders zu leiden haben; und nur durch die Stärkung dieses „Mittelbaues“ kann ein Gegengewicht gegen die Zeitungsgiganten gebildet werden.

Wie? Erstens durch die rascheste Verwirklichung jener Forderungen, die etwa der Zeitungsherausgeberverband bereits seit Jahren deponiert hat (vor allem Steuer- und tarifliche Erleichterungen), durch Schaffung von Vertriebsgemeinschaften, durch Kooperation der „Kleinen“. Zweitens aber wird man nicht darum herumkommen, eine öffentliche Subventionierung des „Mittelbaues“ ins Auge zu fassen — wie sie ja schon legistisch durch die Förderung des wertvollen Periodica-Schrifttums erfolgt. Staatliche Sub-ventionierung ist umweht von dem Odium möglicher Vermachtung. Das ist — etwa durch ein Selbstverwaltungsinstrument der Presse — abzuwenden. Aber was subventioniert der Staat nicht bereits alles — das im Rang der Wichtigkeit und Würdigkeit um Etagen unter der Bedeutung der Presse für eine demokratische Gesellschaft rangiert? Oder ist dem Staat die Sportförderung wichtiger als die Erhaltung dessen, wofür immerhin die Generationen bis 1789 zurück ihr Leben eingesetzt haben?

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