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Antiimperialistische Solidarität

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Was verbindet die Länder und Menschen Afrikas, Lateinamerikas, Asiens mit der sogenannten ersten Welt beziehungsweise mit den sozialistischen Ländern? Außer dem Begriff und Inhalt dessen, was man unter dem System der internationalen Beziehungen meint, gilt noch etwas ethisch Höherwertiges, das mit dem landläufigen Begriff „Solidarität“ zu umschreiben ist.

Solidarität ist sicherlich von verschiedenen Gesichtspunkten aus zu sehen und zu begreifen. Mutter Teresa verwirklicht das Gute und tut das ihr Mögliche, um Unrecht und Elend zu mildern. Sie ist geleitet und motiviert vom Inhalt der christlichen Solidarität. Hunderttausende von Menschen — vorwiegend jüngeren Alters — handeln mit ihren Mitteln in Europa und in den USA mit ähnlicher Zielsetzung — jedoch anders motiviert.

In den sozialistischen Ländern wird Solidarität als ein klassenmäßig bestimmtes Verhaltensprinzip gesehen, das Zusammengehörigkeitsgefühl, Ubereinstimmung, gegenseitige Unterstützung und Verpflichtung, Hilfsund Opferbereitschaft miteinschließt. Dieses Gemeinschaftsbewußtsein entsteht auf der Grundlage der materiellen Lebensbedingungen und der aus diesen hervorgehenden objektiven Bedürfnisse und Interessen einer sozialen Gruppe.

Solidarität ist ein Grundprinzip der Arbeiterklasse und aller progressiven Kräfte.

In der internationalen Solidarität wird zunächst der brüderliche Zusammenhalt der Parteien verstanden, wobei die sozialistische Staatengemeinschaft als einheitliches, politisch-ideologisches, wirtschaftliches und militärisches Zentrum auf dem Weg zum Sozialismus angesehen wird.

Eine spezifische Art solidarischen Handelns ist die antiimperialistische Solidarität, die besonders bei der Unterstützung der Völker, die für die Befreiung und gegen die Unterdrückung kämpfen, zum Ausdruck kommt.

Junge Menschen heute warten nicht auf die Erfüllung illusionär erscheinender politischer Forderungen, sondern handeln von ihrem Gewissen bewegt jetzt und sofort. Dabei spielt keine Rolle, ob sie nun überwiegend politischideologisch oder moralischethisch motiviert sind; sie wollen abtragen, was als kolonialistische Schuld auf den Völkern lastet.

Das ist eine Definition aus dem Negativen, bezogen auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen Schuld und Sühne. Eine positive Definition würde sich dann ergeben, wenn mit der Veränderung der Strukturen in den Ländern der Dritten Welt auch unser Demokratiebewußtsein und unser humanitäres Handeln gestärkt würden — auf diesem Gebiet macht sich gerade in christlichen Kreisen die Einsicht in die Schuld der Vergangenheit immer deutlicher bemerkbar.

Eine wesentliche Änderung in Ländern der Dritten Welt kann durch Solidaritätsaktionen allein nicht herbeigeführt werden; im Gegenteil — manche sogenannte Entwicklungshilfen, vor allem staatlicher Provenienz, machen die schiefe Ebene nur noch steiler.

Altruistisches Verhalten hat auch seine Auswirkungen in unseren Ländern. Schon werden Waffenhandel, die Praktiken vieler multinationaler Konzerne und andere Erscheinungsformen unserer heutigen Zivilisation mit negativen Vorzeichen versehen.

Diktaturen werden immer deutlicher als das eingeschätzt, was sie sind; und verschiedene politische und ideologische Denkweisen verhindern nicht mehr eine klare Analyse von Staatengebilden, deren Regierungen sich nur mehr mit Waffengewalt durchsetzen können.

Zum Begriff der antiimperialistischen Solidarität ist festzustellen, daß ein damit gemeintes, sicherlich links anzusiedelndes, gemeinschaftliches Handeln nicht im Widerspruch mit der individuellen Hilfe steht, die eher konservativ gesinnte Menschen und Gruppen mit Solidarität verbinden.

Antiimperialistische Solidarität zeigt sich verstärkt in der Unterstützung militanter Bewegungen in Ländern der Dritten Welt, die auch mit Waffengewalt gegen Unrechtsstrukturen kämpfen. Dabei wird manchmal von Pazifisten die Frage gestellt, ob eben diese Art von Gewalt, die eine Gegengewalt zur staatlichen Willkür und Unterdrückung darstellt, moralisch-ethisch unterstützt werden darf.

Christlich, sozialistisch, kommunistisch definierte Solidarität existiert nicht gegeneinander. Die Wahrheit liegt in der Verwirklichung des Guten. Hunger, Elend, Krankheit und Ausbeutung sind noch immer Tatsachen dieser Welt. Und diese Welt ist imstande, Raketen über Tausende von Kilometern genau ans Ziel zu bringen, nicht jedoch das Elend zu beseitigen.

Der Autor ist Mitarbeiter des moskauorientierten Wiener Internationalen Instituts für den Frieden.

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