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Anton Gälli, München, über frühzeitiges bayrisches Wahlkampfgerangel

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Lange vor den Landtagswahlen in Bayern, die im Herbst des nächsten Jahres stattfinden werden, ist in beiden großen Parteien des Landes ein Streit darüber ausgebrochen, in welcher Weise die jeweilige Nummer eins in den Wahlkampf integriert werden soll. Bei der SPD hat Städtebauminister Vogel seine definitive Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten davon abhängig gemacht, ob beim Landesparteitag im Mai eine Mehrheit der Delegierten auch seine „Politik der realen Reformen“ unterstützen und damit wenigstens indirekt den besonders vom Münchner Unterbezirk verfochte-nen Linkssozialismus desavouieren wird. Bei der CSU bemüht sich Franz Josef Strauß darum, seinen direkten Einfluß auf Kabinett und Landtag auszuweiten und ist dafür auch bereit, nötigenfalls ein Landtagsmandat — allerdings „ohne irgendeinen Posten“ — zu übernehmen.

Während jedoch die Auseinandersetzungen innerhalb der CSU eher episodenhaften Charakter haben, entwickeln sich die Streitereien bei der SPD allmählich zum zermürbenden Grabenkrieg. Gleichzeitig mit der eindeutigen Weigerung des Münchner Oberbürgermeisters Kronawit-ter, einen Kommunisten als städtischen Sozialarbeiter anzustellen, da er nicht zu jenen Biedermännern gehöre, die Brandstifter in das eigene Haus einließen, behaupten Vertreter des SHB im Wahlkampf der Münchner Universität, sie handelten in voller Übereinstimmung mit dem Münchner Unterbezirk, wenn sie ein Wahlbündnis mit den Kommunisten abgeschlossen hätten.

Dr. Vogel kennzeichnete diese Lage während der ersten Dezembertage in einer Erklärung vor dem SPD-Landesausschuß. Die SPD habe — so stellte er fest — insbesondere in München bezüglich ihrer Öffentlichkeitsarbeit einen absoluten Tiefpunkt erreicht und auch in den höchsten Organen der Partei sei das Vertrauen beeinträchtigt. Er selbst wehre sich unvermindert gegen die Diktatur des Proletariats, die Zusammenarbeit mit den Kommunisten und die Herauslösung der Bundesrepublik aus dem westlichen Bündnissystem. Er sei außerdem dafür, daß Mitglieder, die eine staatszerstörende Konfliktstrategie befürworteten, aus der Partei ausgeschlossen würden. Seine Wahl zum Spitzenkandidaten sei deshalb nur sinnvoll, wenn eine starke Mehrheit der Partei diese Position teile.

Wenige Tage später relativierte er diese Bedingungen insofern, daß sie als „nachdrücklich geäußerte Wünsche“ aufzufassen seien. Nunmehr machte er seine Kandidatur von der Mehrheit abhängig, die das breit angelegte Landeswahlprogramm auf dem Parteitag finden werde.

Angesichts dieser ständig fortschreitenden Selbstzerfleischung der SPD konnte die CSU bisher dem Wahlkampf relativ gelassen entgegensehen. Zwei Ereignisse der letzten Zeit führten dann allerdings dazu, daß sich dieses Bild der Zufriedenheit jäh in eine Breughelsche Prügelszene verkehrte. Ein auslösendes Element lag in der Tatsache, daß Strauß die Schlappe, die ihm bei seiner mehr taktisch als ernstgemeinten Ministerpräsidentenkandidatur zuteil geworden war, nicht verschmerzt hatte. Die damalige Brüskierung war zu eng verbunden mit dem Bemühen der CSU-Prominenz, ihren Landesvorsitzenden von der bayrischen Innenpolitik fernzuhalten und ihn nach Möglichkeit in Bonn festzuloben. Gerade dies vertrug sich schlecht mit dem Anspruch von Strauß, innerhalb seines ganzen Einflußbereichs das Heft in der Hand zu behalten. So überraschte er im November seine Parteifreunde mit der Ankündigung, es sei nicht auszuschließen, daß er auch direkt für den Landtag kandidieren wolle.

Völlig turbulent wurde die Szene dann durch die ,AfIäre Fritz“. Da im nächsten Frühling der Präsidentenstuhl der Bayrischen Versicherungskammer — der einflußreichsten bayrischen Versicherung — vakant wird, hatte sich Strauß dafür eingesetzt, daß dafür der parteilose Vorsitzende des bayrischen Rundfunkrates und des bayrischen Landessportverbandes, Fritz, vorgeschlagen wurde. Strauß erhoffte sich von der Nominierung dieses Fachmanns eine Blockierung der bisherigen Praxis, solche Posten als Pfründen für abgeschobene Politiker bereitzuhalten. Das bayrische Kabinett, das schon geplant hatte, die Amtszeit des derzeitigen Inhabers um ein Jahr zu verlängern, machte gute Miene zum bösen Spiel und beschloß sogar einstimmig, die Kandidatur von Fritz zu unterstützen. Intern ließ man dann offenbar die Kräfte spielen, die eine definitive Nominierung einstimmig blockierten. Verärgert warf Strauß daraufhin Ministerpräsident Goppel mangelndes Durchsetzungsvermögen vor. Als man schließlich die verfahrene Situation durch Umwandlung der bisherigen Präsidialverfassung in eine Vorstandverfassung dem Wunsch des Parteivorsitzenden anpassen wollte, machte Fritz nicht mehr mit.

Übrig bleibt ein lautstarker Krach innerhalb der CSU-Prominenz. In Fürstenfeldbruck bezichtigte Strauß auf dem Parteitag der oberbayrischen CSU die CSU-Amtsträger, sie seien im Besitz einer Mentalität, die nur als kurfürstliche Selbstbestätigung bezeichnet werden könne.

Abschließend zeigte sich jedoch Strauß wieder darum bemüht, dieses Gemisch von kalkulierter Schocktherapie und cholerischer Entladung taktisch in den Wahlkampf einzubauen. Sowohl Vogel wie auch Strauß haben bei den Jungsozialisten methodologische Anleihen gemacht: beide haben sie sich für diese Landtagswahlen der Doppelstrategie verschieben.

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