6876760-1978_46_08.jpg
Digital In Arbeit

Antwort auf die Krise

Werbung
Werbung
Werbung

Die Steirische Akademie stellte sich heuer das zentrale Thema: „Umkehr in die Zukunft - Alternativen, Vision und Praxis.“ Das Suchen nach Alternativen, nach einer Technik und Wirtschaft nach dem Maß des Menschen sowie nach neuen ökologischen Gesichtspunkten ist aktueller denn je. Die FURCHE stellt ihren Lesern Auszüge der Referate von Dipl.-Ing. Karl Werner Kieffer, Vorsitzender der Stiftung mittlere Technologie (Kaiserslautern), und Univ.-Prof. Dr. Pierre Fornallaz (Zürich) zur Diskussion.

Tatsächlich sollte die industrielle Aktivität soweit wie überhaupt möglich in Richtungen gelenkt werden, die wenigstens zum Teil die bekannten Gefährdungen nicht haben - also der mittleren Technologie wenigstens teilweise näherkommen. Mittlere Technologie im strengsten Sinne ist das, was dabei herauskommt, allerdings meist nicht.

Knappheits- und Umweltsituationen werden jedoch solche Aktivitäten mehr und mehr erzwingen. Sie werden sich im Rahmen des marktwirtschaftlichen Systems durchsetzen müssen. Dessen Spielregeln sind allerdings häufig außer Kraft gesetzt, weil wesentliche Teile, der in der Großtechnolögie anfallenden Kosten - vor allem solche, die schwer zu ermitteln sind -, heute die Umwelt und die Nachwelt belasten und nicht in die Kalkulation und die Preise der Erzeugnisse eingehen.

Den Alternativen zur Großtechnologie wären also dadurch gleiche marktwirtschaftliche Startbedingungen zu verschaffen, daß man sich bemüht, diese sozialen Kosten großtechnologischer Produktion voll in deren Preise einzurechnen. Ob sich die für die Einhaltung spicher Spielregeln verantwortlichen Politiker dabei gegenüber dem massiven Gegendruck der Interessenten durchsetzen können, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Eine positive Entwicklung zeigt sich übrigens bei den Sonnenkollektoren. Es wäre sicher falsch, Sonnenkollektoren nur deshalb abzulehnen, weil sie auch von einzelnen Betrieben der Großtechnologie erzeugt werden: Auch wenn sie etwa am Fließband großindustriell hergestellt würden, werden die Kollektoren dezentral eingesetzt und stehen damit in Konkurrenz zur großtechnologischen Energieerzeugung.

Ein Schritt in der richtigen Richtung wäre übrigens für eine Ubergangszeit auch die sogenannte Wirbelschichttechnologie, die es erlaubt, mit kleinen umweltfreundlichen Kohlekraftwerken in die Nähe der Städte zu rücken und damit die entstehende Abwärme in Fernwärmenetzen zu nutzen. Dieses Verfahren brächte wegen des hohen Wirkungsgrads eine beachtliche Ersparnis fossiler Brennstoffe und damit eine hochinteressante Klein-Konkurrenz zu Großkraftwerken, vor allem der Kerntechnologie.

Kritische Maßstäbe sollten in Zukunft auch stets angelegt werden, wenn es um die Frage nach förderungswürdigen Branchen geht. Wenn wir Arbeitsplätze schaffen wollen, müssen vor allem solche Branchen expandieren, bei denen der Personalkostenanteil überdurchschnitt

lieh hoch ist. Es ist also kaum sinnvoll, wenig arbeitsintensive Branchen zu fördern. Zu den förderungswürdigen Branchen würden gehören:

• Arbeitsintensive Branchen, die auf einem hohen Ausbildungsniveau qualifizierte Arbeit leisten - also im Extremfall Ingenieurbüros, verbunden mit hochqualifizierten Werkstätten, die einerseits wenig Rohstoff und Energie konsumieren, anderseits unseren hohen Ausbildungsstand nutzen.

• Branchen, die auf einheimischen Rohstoffen basieren. Dazu gehören natürlich in erster Linie Kohlegewinnung und -nutzung, aber auch alle Branchen, die die Energiequelle Sonne optimal nutzen. Vor allem zählt dazu natürlich die Nutzung aller Produkte unseres Bodens: Hier ist der Irrweg einer überindustrialisierten Landwirtschaft mit starker Spezialisierung, hohem Energieverbrauch und unvermeidlicher Umweltbelastung zu korrigieren.

• Alle Branchen, die Rohstoffe aus Abfällen wiedergewinnen oder Maschinen zu diesem Zweck herstellen. Es ist häufig möglich, viele unumgänglich notwendige Rohstoffe energiesparend und umweltfreundlich' dem Kreislauf wieder zuzuführen.

• Alle Branchen, die mit Umwelt-

schütz zu tun haben. Zwar ist Umweltschutz eigentlich nur ein Kurieren am Symptom - es wäre weit besser, wenn die Verschmutzung gar nicht erst einträte. Aber bis dieser Idealzustand erreicht ist, wird noch lange Zeit verstreichen. • Alle Aktivitäten, die die Lebensdauer unserer Güter verlängern helfen. Dazu zählen nicht nur die hoch zu bewertende Arbeit vieler Konstrukteure und Forscher, sondern auch die Wartungs-, Pflege- und Reparaturaufgaben, denen sich viele Zweige des Handwerks verschrieben haben.

Wenn nicht alles täuscht, stehen wir in den Industrieländern vor einer Änderung unserer gesellschaftlichen Prioritäten. Wenn bisher die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse der Menschen vollkommen zu Recht den ersten Rang einnahm, schieben sich nun die immateriellen Bedürfnisse der Menschen - ihr Bedarf an Kreativität, Erfolgserlebnis, Gesundheit, Mitmenschlichkeit - mehr und mehr in den Vordergrund.

Hinzu kommt die relativ junge Erkenntnis der Endlichkeit unserer Ressourcen und der Verwundbarkeit unserer Biosphäre. Zudem hat die großtechnologische Zentralisierung eine zunehmende Krisenanfälligkeit unserer Gesellschaft mit sich ge-

bracht. Und schließlich wurden dadurch Machtstrukturen geschaffen, deren demokratische Legitimität von wachsenden Teilen der Bevölkerung immer häufiger in Frage gestellt wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung